Der Sensenmann
Job.«
»Ja, ich auch. So etwas verbindet über Grenzen hinweg.«
Uwe Hinz gab mir recht und fragte dann: »Glaubst du noch immer an sein Ziel?«
»Ja, er will hier seinen ersten Sieg schmieden. Er will der Kirche beweisen, daß er der stärkere ist. Von keinem läßt er sich abhalten, das kannst du mir glauben.«
Der Kommissar drehte mir sein Gesicht zu. »Du glaubst, daß er im Namen des Teufels agiert?«
»Das ist eine Frage.«
»Wieso?«
»Ich habe nachgedacht. Er mag mit dem Teufel zu tun haben und steht sicherlich auch auf dessen Seite, aber ein Satansdiener, wie ich ihn schon oft erlebt habe, ist er nicht. Dazu fällt er zu stark aus dem Rahmen.«
»Wie meinst du das?«
»Er ist zu selbständig. Dieser Sensenmann geht seinen eigenen Weg. Zumindest habe ich den Eindruck. Er braucht sich nicht auf den Teufel zu verlassen.«
Es entstand eine kurze Pause zwischen uns. Uwe Hinz unterbrach sie schließlich mit einem Lachen. »Ich will dir keine Vorschriften machen, um Himmels willen. Aber versetze dich mal in meine Lage. Wenn mir gestern jemand gesagt hätte, daß ich heute abend hier sitze und auf eine Gestalt warte, deren Existenz nicht nur jemand wie ich leugnet, den hätte ich für verrückt gehalten.«
»Das kann ich nachvollziehen.«
»John, ich will nicht sagen, daß für mich ein Weltbild zusammengebrochen ist, zudem habe ich die Gestalt in der Tiefgarage auch gesehen, aber muß man bei dieser Arbeit den gesunden Menschenverstand ausschalten, um Erfolg zu haben?«
»Nein, das Gegenteil ist der Fall.«
»Wieso?«
»Man muß den Verstand einsetzen und zugleich bereit sein, Dinge zu akzeptieren, die als unwahrscheinlich und unglaubhaft bezeichnet werden. Die aber trotzdem existieren. Es gibt diese zweite Welt, Uwe. Ich erlebe sie tagtäglich, und es ist nicht immer ein Spaß, das kannst du mir glauben.«
»Dabei lebst du noch?«
»Das wundert mich manchmal auch.«
»Nachdenken möchte ich trotzdem nicht darüber, John.«
»Ist auch nicht nötig. Nimm es einfach hin, auch wenn es unwahrscheinlich klingt. Man muß sich eben damit abfinden. Ich weiß auch keine andere Lösung, und ich bin damit bisher recht gut gefahren, das kannst du mir glauben.«
»Klar, ich bin ja selbst mit eingebunden.« Er winkte ab. »Aber lassen wir das. Wir müssen einen Plan haben. Glaubst du, daß sich dieser Sensenmann zeigen wird oder sich bei dir meldet?«
»Ich rechne mit beidem.«
»Und was ist mit Sarah Goldwyn?« fragte er leise.
»Ein großes Problem«, murmelte ich. »Der Sensenmann hat sie ja nicht grundlos geholt. Er hat etwas mit ihr vor, da bin ich mir sicher. Er wird sie als Druckmittel einsetzen. Er wird mich mit ihr locken.«
»Du meinst, daß er sich auf sie beschränkt?«
»Das hoffe ich zumindest. Ich möchte nicht, daß noch mehr Unschuldige ihr Leben verlieren.«
»Wie kann ich dir helfen?«
Ich hatte auf diese Frage gewartet und antwortete: »Nimm es nicht persönlich, Uwe, aber es ist besser, wenn du dich zurückhältst. Dein Platz ist hier im Haus. Das soll auch so bleiben. Sorge bitte dafür, daß es von keiner Person verlassen wird. Menschen allein auf dem Kirchplatz sind ideale Opfer für von Thann.«
Es klopfte. Wir drehten beide den Kopf. Jemand trat ein und hielt ein Tablett mit beiden Händen. Von den Tellern duftete es, denn darauf lag der Leberkäse neben einem Bratwurst-Paar. Eine Scheibe Brot gab es ebenfalls, und die blonde Frau, die alles brachte, lächelte etwas verlegen.
»Ich dachte mir, daß Sie Hunger und Durst haben. Ein Schluck Rauchbier wird Ihnen sicherlich schmecken.« Sie hatte die gut gefüllten Gläser ebenfalls auf das Tablett gestellt.
»Das ist übrigens Gerhild Eberle, die Frau des Leiters hier oben.«
Sie stellte das Tablett ab, und wir reichten uns die Hand. Etwas verlegen lächelte sie in die Runde. Es lag auf der Hand, daß sie auch neugierig war und nicht nur darauf, ob uns das Essen schmeckte. Ihr Blick glitt zwischen uns und dem Fenster hin und her.
»Probieren Sie doch mal, Herr Sinclair.«
»Das werde ich auch.« Ich nahm eine Wurst in die Hand und biß ein Stück ab.
Verflixt, die war wirklich super. Einen eigenen Geschmack, der von den tollen Gewürzen stammte.
»Super!« lobte ich, biß gleich noch mal hinein und trank auch einen Schluck Rauchbier. Es war gewöhnungsbedürftig, aber das würde schon klappen.
»Na, da bin ich ja zufrieden.« Sie lächelte unsicher. »Haben Sie schon was gesehen oder ihn? Mein Mann hat mir erzählt, daß
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