Der Serienmörder von Paris (German Edition)
kulturell wertvolles Gebäude stehen bleiben dürfe. Deutsche Panzer fuhren auf dem Place de la Concorde auf und sorgten so für eine Drohkulisse. Auch am Palais du Luxembourg und der École Militaire in der Nähe des Eiffelturms protzten die Deutschen mit ihrer militärischen Macht. Am Place Saint-Michel hatten die Nazis die Waffen so ausgerichtet, dass sie eventuelle Gegner ins Kreuzfeuer nehmen konnten.
Gruppen von Résistance-Mitgliedern kämpften sich durch Seitenstraßen und dunkle Gassen vor oder bewegten sich geduckt hinter Barrikaden, um sich mit Unterstützern zu vereinen. Die militärische Stärke der FFI wurde von einem Anführer auf 15.000 Mann geschätzt. Sie verfügten nur über wenige Waffen, die wahrscheinlich nur für 2.000 Männer reichten, von denen zudem viele noch aus der Zeit vor der Besatzung stammten, die versteckt wurden und dementsprechend alt waren. Einige Gewehre und Maschinenpistolen stammten von überlebenden Fallschirmspringern, die sich der Entdeckung durch die Deutschen entziehen konnten. Eine Gruppe junger Kommunisten „erfand“ eine sichere Methode, um den Mangel an Waffen wettzumachen. Sie schickten ihre Frauen in das Vergnügungsviertel Pigalle, um dort herumschlendernde deutsche Soldaten aufzureizen und in die hinteren Gassen zu locken. Dort erwarteten sie schon Kämpfer der Résistance, die die Nazis zusammenschlugen und ihnen die Waffen abnahmen. Männer in Autos, verziert mit dem Lothringer Kreuz, patrouillierten mit zwei Schützen auf den Vordersitzen, was Erinnerungen an die Republikaner im spanischen Bürgerkrieg wachrief. An der Sorbonne bastelte Professor Frédéric Joliot-Curie, Gewinner des Nobelpreises für Physik, an Molotow-Cocktails, wofür er sich aus irgendwelchen Kellern grüne Champagnerflaschen besorgte und auch geeignete Glasgefäße aus dem Laboratorium der Eltern seiner Frau, Marie und Pierre Curie, die das Radium entdeckt hatten. Andere Widerstandskämpfer feuerten vereinzelt Schüsse auf deutsche Wachen ab oder besorgten wichtige Waren. Ein Mann besaß sogar die Unverfrorenheit, sich außerhalb der deutschen Vertretung an der Rue de Lille an das Kabriolett des Botschafters anzuschleichen und es zu klauen.
Die Polizei streikte immer noch und weigerte sich, für Ruhe auf den Straßen zu sorgen. Es war möglicherweise das erste Mal in der französischen Geschichte, dass Staatbedienstete Seite an Seite mit Rebellen kämpften. Als sich die einzelnen auflodernden Kämpfe auf das Stadtgebiet ausweiteten, feuerte ein deutscher Panzer Lenk-Feuergranaten in das Grand Palais. Innerhalb des Gebäudes hielt sich zu diesem Zeitpunkt der schwedische Unternehmer Jean Houcke auf, der an einer Zirkusdarbietung im Palais arbeitete, deren Aufführung parallel zur Befreiung der Stadt stattfinden sollte. Angedacht war der größte Zirkus in Europa, mit exotischen Tieren, Trapezkünstlern und sogar einen Adolf Hitler darstellenden Clown. Als Houckes Werk verbrannte, verfiel er in Schockstarre und einen Weinkrampf.
Weitaus heftigere Feuergefechte fanden nahe dem Polizeihauptquartier statt, vor dem Barrikaden in der Höhe der Statue der Jungfrau von Orleans errichtet worden waren. Der Präfekt hatte die Trikolore hissen lassen und somit das erste erkennbare französische Symbol auf einem großen Gebäude seit Beginn der Besatzung zu verantworten. Die Waffen und Munitionsvorräte der Résistance neigten sich ihrem Ende zu. Deutsche Tiger-Panzer näherten sich den Franzosen, wobei deren Landsmänner als menschliche Schilde „mit Seilen an jeden Panzerturm gefesselt waren“.
Überall errichtete man in Windeseile Barrikaden, besonders in den Arbeitervierteln und den Hochburgen der Kommunisten im Norden, Osten und Südosten. Kommunistenführer innerhalb der Résistance machten sich für eine Revolution stark und skandierten den alten Kampfruf: „Tous Aux Barricades.“ (Alle auf die Barrikaden!) Résistance-Kämpfer versammelten sich hinter den Barrikaden, die man aus umgeworfenen Autos, zerstörten Gleisen von bombardierten Zuglinien und dem Holz gefällter Bäume aufgetürmt hatte, und verstärkten das Hindernis mit allem, was man in der Stadt fand – von Parkbänken bis hin zu Pissoirs. Ein weiterer bekannter Kampfruf – „Chacun son Boche!“ stachelte jeden an, sich „seinen eigenen Deutschen zu schnappen“.
De Gaulles Repräsentant Mayor Roger Gallois hatte sich mittlerweile beim Chef der Aufklärung der 12. Armeegruppe unter General Omar N. Bradley für einen
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