Der Serienmörder von Paris (German Edition)
Guillaume (Massus ehemaligem Vorgesetzten zu Anfang seiner Dienstzeit).
Massu lebt also bis auf den heutigen Tag weiter, und zwar in der Rolle des etwas ruppigen, bodenständigen Ermittlers Jules Amédée François Maigret.
EIN INDIVIDUUM OHNE JEGLICHEN SKRUPEL UND BAR JEGLICHER MORAL.
(Dr. Claude, Dr. Laignel-Lavastine und Dr. Génil Perrin über Marcel Petiot)
W ie Capitaine Simonin enthüllte, erfuhr er Marcel Petiots exakten Aufenthaltsort durch einen Hinweis von Petiots/Valeris Untergebenen in der Kaserne in Reuilly. FFL-Corporal Jean-Richard Salvage verriet ihm, dass der Verdächtige sich in einem Appartement in der Rue Paul-Bert 22 verstecke, das seiner Mutter gehöre. Simonin ging der Spur nach. Wie sich herausstellte, verließ Petiot das Gebäude jeden Morgen, nahm daraufhin die Métro bei der Station Saint-Mandé-Tourelle, verließ sie in Reuilly-Diderot und ging den kurzen Weg zur Kaserne.
Nach der Verhaftung übergab Simonin den Gefangenen nicht unverzüglich der Polizei. Stattdessen entschied er sich, ihn selbst zu den Taten zu vernehmen. Nach Simonins Beobachtung antwortete Petiot schon zu Beginn in einem harschen und herablassenden Ton, behauptete, er sei „ein Held der Résistance“. Er benutzte die Terminologie der kommunistischen Partei und ließ sich abfällig über die „Helfershelfer der Kapitalisten“ und die „Söldner im Dienste Amerikas“ aus. Kurz sprach er davon, lediglich „Befehlen gehorcht“ zu haben, und implizierte damit, dass die Kameraden aus „der Partei“ nicht zögern würden, ihn zu befreien.
Simonins Zusammenfassung der Vernehmung nach, die letztendlich in den Aktenschränken der Pariser Polizei landete, ließ sich Petiot überschwänglich zu seinen vielen Verdiensten für die Résistance aus. Er gab sich als Ermittlungsbeamter und Capitaine des ersten Infanterieregiments der FFL aus, stationiert in Reuilly. Simonin glaubte, dass Petiot sich bei der speziellen Einheit aufgrund der vielen kommunistischen Führungspersönlichkeiten beworben hatte, darunter Kommandant Raffy, ein ehemaliges Mitglied der Résistance-Gruppe FTP (Franc-Tireurs et Partisans), der Petiot in Reuilly betreute. Nicht außer Acht gelassen werden darf die Tatsache, dass Reuilly – erst kurz zuvor fluchtartig von den Deutschen im Stich gelassen – bald schon eine Führungsrolle bei den Tribunalen gegen Kollaborateure und Kriegsverbrecher spielen sollte.
Petiot verneinte, seinen wahren Namen in der Kaserne enthüllt zu haben, als er dort im September 1944 auf der Suche nach einer Anstellung auftauchte. Er habe sich als Dr. Wetterwald vorgestellt, der das Pseudonym Dr. Valeri benutzte. Simonin vertrat infolgedessen die Auffassung, dass Petiot log. Nach Petiots Angaben kannte nur Raffys Vorgesetzter Colonel Ruaux, der Chef des ersten Infanterieregiments, seine wahre Identität. Im Laufe der Zeit erfuhren weitere Kameraden von seiner Vergangenheit. Er schützte diese Personen, indem er behauptete, sie hätten die wüste, sensationsheischende und reißerische Berichterstattung der deutschen Presse nicht für bare Münze genommen und demzufolge den Mordanschuldigungen nicht geglaubt.
Nachdem Petiot von seiner Praxis erzählt hatte, die angeblich 500.000 Francs im Jahr abwarf – eine Prahlerei, die für einen Kommunisten mehr als ironisch anmutete –, erklärte er, seit 1941 die Résistance zu unterstützen. Er nutzte angeblich die Position als Arzt aus, um „deutsche Offiziere, die mich konsultierten, zu demoralisieren“. Petiot knüpfte Kontakt zu der Résistance-Organisation in der Rue Cambon, die ihm gerne französische Arbeiter vermitteln sollte, die durch ihre Arbeit in Deutschland krank geworden oder verletzt worden waren. Diese Personengruppe konnte oft mit „hochinteressanten Geheiminformationen“ aufwarten, die er den Alliierten ohne zu zögern übermitteln wollte.
Dabei wies er speziell auf eine Geheimwaffe der Deutschen hin, basierend auf dem Prinzip eines Bumerangs, die ca. 65 Kilometer südwestlich von Berlin entwickelt wurde. Auch diese Information fand den Weg zu den Alliierten, und zwar über einen Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft namens Thompson. Der amerikanische Botschafter hieß tatsächlich Tyler Thompson, der jedoch später jeglichen Kontakt zu dem Verdächtigen abstritt. Und wie hatte Petiot den Namen erfahren? Thompson lieferte eine plausible Theorie. Zu Beginn der Besatzung diente er als Sekretär im höheren Dienst und unterzeichnete über 1.000 rote
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