Der Serienmörder von Paris (German Edition)
Zertifikate, die man an Häusern und Betrieben anbrachte, die den Amerikanern gehörten. Damit waren sie nach internationalem Recht unantastbar. Sein Name tauchte praktisch gesehen an vielen Orten in der Stadt auf.
Ende 1941 verfügte Petiot über weitere Kontakte in der Résistance. Er arbeitete angeblich mit einer Gruppe von Anti-Franco-Spaniern in dem außerhalb von Paris gelegenen Vorort Levallois zusammen. Dort trainierte ihn ein Mann aus London, der den Widerstand in der freien Grafschaft Franche-Comté organisierte. Wer war dieser britische Agent? Petiot verneinte, den Namen bzw. den Codenamen zu kennen. Er erwähnte einen Mann genannt „Cumulo“, der die Résistance-Gruppe Arc-en-Ciel leitete, die wiederum der Befehlsgewalt von Pierre Brossolette unterstand, einem Mitglied von Charles de Gaulles Geheimdienst BCRA.
Es gab nach den ersten Befragungen schon viele Hinweise, die von den Behörden überprüft werden mussten, doch Petiot schien seinem Redeschwall kein Ende setzen zu wollen. Wie schon im Brief an die Résistance , beschrieb er die angebliche Tätigkeit für die Résistance-Gruppe Fly-Tox, die sich auf das Aufspüren und Eliminieren von Informanten oder Mouchards, einem französischen Ausdruck für Fliegen (Mouches), spezialisierte. Der Name Fly-Tox stammte laut Petiot von einem kommerziellen Fliegenvertilgungsmittel. Wie auch das Pestizid töteten seine Männer die Mouchards.
Als Simonin Petiot um Namen „und alle zur Verfügung stehenden Informationen“ über Mitglieder der Gruppe bat, reagierte dieser ruhig und sagte gelangweilt, dass die Organisation ja wohl hinlänglich bekannt sei und es sich damit erübrige, nähere Details zu liefern. Allerdings sprach er ausgiebig über ihre Operationsmethode.
Mitglieder bewachten seiner Aussage nach unauffällig das Büro der Gestapo in der Rue des Saussaies: Jeder Zivilist, der das Gelände verließ, wurde verfolgt. Der Fly-Tox-Kämpfer gab sich als ein Mitglied der deutschen Geheimpolizei aus, lauerte dem Nichtsahnenden an einem möglichst abgelegenen Ort auf und ergriff ihn. Falls die Zielperson unter Protest zugab, für die Deutschen zu arbeiten, hatte sie sich – wie Petiot zu Protokoll gab – „selbst überführt“. Dann warf man den Verdächtigen in einen Lastkraftwagen und transportierte ihn zur Rue Le Sueur, wo die Verhöre stattfanden. Petiot hatte das Haus seit dem Kauf hautsächlich zur Lagerung seiner Antiquitäten und „des Großteils seines Vermögens“ genutzt.
Der wahrscheinliche Kollaborateur wurde – „nachdem wir uns gewissenhaft von der Schuld überzeugten“ – durch einen Revolverschuss hingerichtet bzw. mit einer geheimen Waffe, die Petiot angeblich erfunden hatte und die man lautlos bis zu einer Entfernung von 30 Metern abfeuern konnte, wo sie das Opfer mit tödlicher Genauigkeit traf. Des Körpers entledigte man sich in den Wäldern von Marly-le-Roi oder Saint-Cloud. Petiot brüstete sich damit, 63 Menschen mit dieser Methode getötet zu haben. An den exakten Ort, an dem seine Männer die Leichen verscharrten, konnte er sich vorgeblich nicht mehr erinnern. Auch er kannte die Namen der Opfer nicht, da er sich keine Notizen gemacht hatte. Er wusste nicht mit Sicherheit, ob seinen Männern überhaupt Angaben zur wahren Identität der Person zur Verfügung standen. „Wir wussten nur, dass es Feinde waren, die verschwinden mussten.“
Im Dezember 1941, also mit Kriegseintritt der USA, bot Petiot – so behauptet er – den Bauplan der Geheimwaffe dem amerikanischen Botschafter an. (Es war das erste Mal, dass er das Pseudonym Dr. Eugène benutzte.) Zu der Zeit leitete Fly-Tox auch eine geheime Organisation, die Franzosen beim Verlassen des besetzten Paris half. Die falschen Papiere beschaffte man sich von einem Mann in der Nähe von Lucien Romier, einem Staatsminister in Vichy, und einer weiteren Person, bekannt als „Desaix“ oder wahrscheinlicher „De C“, die in der Botschaft der argentinischen Republik arbeitete. Ein Polizeikommissar, tätig im 7. Arrondissement von Lyon, half Petiots Kunden bis zur Grenze. Die Papiere erlaubten den Franzosen die Einreise nach Spanien, von wo aus sie nach Portugal weiterfuhren und von dort aus per Schiff ins sichere Argentinien gelangten.
Die Tätigkeit als Widerstandskämpfer hatte Petiots Meinung nach den Nazis den Anlass geboten, ihn zu verhaften, einzusperren und zu foltern. Nach der Entlassung erkannte der Arzt angeblich, dass er unter der Beobachtung der Gestapo stand,
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