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Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Titel: Der Serienmörder von Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David King
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ließ sich Comte dazu aus, wie zahlreiche Rivalen Petiots, insbesondere konservative, dem rechten Spektrum zuzuordnende Bedienstete der Stadtverwaltung, sich gegen die teuren Reformen gewehrt hätten. Andere Personen hätten es dem Arzt übelgenommen, dass er Georgette Lablais, die Tochter eines unbedeutenden Mannes aus Seignelay, geehelicht hatte, statt einer ihrer Töchter.
    Emile Pathier, ein pensionierter Portier in den Siebzigern, der einst mit Petiot im Stadtrat gesessen hatte, stimmte der Aussage zu und beschrieb Villeneuve-sur-Yonne als einen „wahrhaftigen Sündenpfuhl an politischen Intrigen“. Trotz aller Hindernisse sei es Petiot gelungen, die Stadt in vielerlei Hinsicht zu modernisieren. Er habe eine Kanalisation gegen den Widerstand vieler Kritiker bauen lassen und die Bildungseinrichtungen von „einer Brutstätte der Tuberkulose“ in qualitativ hochwertige Institutionen verwandelt. Petiot sei „der ihm angelasteten Straftaten einfach nicht fähig“.
    Vom ersten Zeugen an sprachen alle von der Verteidigung vorgeladenen Personen mit einem Höchstmaß an Überzeugung. Stadtratsmitglieder und ehemalige Patienten lobten die bedeutenden Beiträge des bekannten und einflussreichen Arztes. Ein Zeuge berichtete, wie Petiot einen Mann geheilt habe, der an Verletzungen litt, die er sich bei einem Sturz von einer Pappel zugezogen hatte, indem er ihn täglich über eine Zeitraum von drei Jahren und neun Monaten aufgesucht habe. Ein weiterer Zeuge berichtete von einer ernsthaften Stresserkrankung, bedingt durch die Arbeit, wobei ihm Petiot auf recht ungewöhnliche Art und Weise geholfen habe – er habe ihm die Kur bezahlt! Zu Beginn des Krieges solle er angeblich britische Piloten versteckt und Patienten dabei geholfen haben, der Deportation nach Deutschland zu entkommen, indem er ihnen Injektionen verabreicht habe, durch die sie kurzfristig erkrankt seien. „Petiot war ein hundertprozentiger Franzose“, sagte Monsieur Mure, bevor er sich korrigierte. „Machen Sie da bitte ein ‚zweihundertprozentig‘ daraus.“
    Im Gerichtssaal ließen sich nicht alle Anwesenden von den Aussagen beeindrucken. Robert Danger von France-Soir schrieb ironisierend, dass Petiot nicht in der Lage gewesen sei, „alle Menschen zu töten“.
    Der mit Abstand wertvollste Zeuge der Verteidigung war der dekorierte Résistance-Kämpfer Lieutenant Richard Héritier, ein Mitglied der RF-Einheit des SOE, der im Februar 1943 in Ruffey-sur-Seille im Département Jura mit seinem Fallschirm abgesprungen war. Nach der Gefangennahme durch die Deutschen war Héritier am 10. Juni 1943 in Fresnes inhaftiert worden, wo er sich die nächsten fünf Monate die Zelle 440 mit Petiot geteilt hatte.
    Héritier konnte einige bedeutsame Aussagen zu seinem Zellengenossen machen. Bei den langen und detaillierten Gesprächen im Gefängnis, die sich oft um Fly-Tox und das geheime Fluchthilfenetzwerk gedreht hätten, seien dem Mann niemals Zweifel an Petiots Glaubwürdigkeit gekommen. Nicht nur habe der Arzt sein Wissen über die Résistance bewiesen, sondern Héritier auch mit Kontaktadressen anderer Widerstandskämpfer in Paris versorgt, für den Fall, ihm gelänge die Flucht.
    Neben vielen nützlichen Informationen habe Petiot ihn gelehrt, die schrecklichen Verhöre der Gestapo zu überstehen. Der Arzt habe abgebrühte Résistance-Kämpfer mit seinem Wagemut überrascht und beeindruckt. Héritier gab zu Protokoll, dass ihn Petiots Furchtlosigkeit verblüfft habe, die sogar so weit gegangen sei, dass er die Gefängniswärter der Gestapo verspottet habe. Für die Mitgefangenen sei er zum Vorbild geworden, erklärte Héritier einem erstaunten Gerichtssaal. Sowohl die Zuschauer als auch die Geschworenen folgten jedem Wort wie gebannt.
    „Sie haben mit ihm fünf Monate verbracht“, unterstrich Floriot. „Glauben Sie, dass ein Mann seine Gefühle über einen so langen Zeitraum verbergen kann?“
    Der Résistance-Kämpfer bezweifelte das, denn eine Gefängniszelle sei ein viel zu enger und intimer Raum, um Geheimnisse für sich zu behalten.
    Daraufhin wollte Floriot Héritiers Meinung über den Angeklagten erfahren.
    „Ich glaube erstens daran, dass Petiot nicht alleine gehandelt hat. Zweitens: Er gehörte zu einer politisch sehr aktiven Gruppe innerhalb der Résistance, doch nicht der offiziellen Résistance, sondern einer Organisation, die direkt mit den Alliierten arbeitete. Ich glaube, dass die Gruppe ihm Befehle gab, die er auf seine eigene Art

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