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Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Titel: Der Serienmörder von Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David King
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ihrer Zusammenfassung im Auftrag der Familie Rossmy. Sie baute ihr Plädoyer auf dem Geständnis Petiots am dritten Tag auf, dass er Gisèle Rossmy, die Freundin von „Adrien, dem Basken“ getötet habe, und erinnerte die Geschworenen auch an den Grund, dass er „nicht wusste, was er sonst mit ihr anfangen sollte“. Somit eröffnete sich den Geschworenen eigentlich nur ein Weg – den Angeklagten für schuldig zu erklären. Bei ihrer Rede blieb sie bei den essenziell wichtigen Fakten und vermied die ausgedehnten, langatmigen und regelmäßigen Ausschweifungen, die sich die Kollegen erlaubt hatten.
    Die Zuschauer mag vielleicht die fehlende dramatische Komponente am letzten Verhandlungstag gestört haben. Sie wussten allerdings nicht, was sich einige Stunden zuvor außerhalb des Gerichtssaals abgespielt hatte. Um 10.30 Uhr an diesem Morgen hatte eine rothaarige Frau mit einem Jackett mit Hahnentrittmuster das Fahrradgeschäft von André Molvault, einem der Geschworenen. Die Kundin hatte wissen wollen, ob man ihr Fahrrad schon repariert habe, woraufhin sich Molvault mit der Ausrede für die Verzögerung entschuldigt hatte, dass er beim Petiot-Prozess als Geschworener vereidigt worden sei. „Oh!“, hatte die Dame mit gespieltem Erstaunen gemeint. „Da wird es noch Vergeltungsmaßnahmen geben, das können Sie mir glauben!“
    Als Molvault sich erkundigte, ob er sich bedroht fühlen müsse, habe die Frau mit einem „Ja“ geantwortet und sei aus dem Geschäft gerannt. In der Eile habe sie ihr Fahrrad vergessen. Molvault habe sich ihren Namen notiert, mit dessen Hilfe die Polizei eine Frau niederländischer Staatsbürgerschaft gefunden habe, die in Lyon lebte. Président Leser schrieb einen Bericht über den Zwischenfall und bat die Polizei, den Fall der Einschüchterung von Geschworenen weiter zu verfolgen.
    Am 15. Tag, Mittwoch, dem 3. April, fasste Maître Jacques Bernays den Zivilrechtsfall für die Familie Wolff zusammen. Maître Gachkel sprach für die Basches und Maître Léon-Lévy für die Knellers. Beide zuletztgenannten Rechtsanwälte konzentrierten sich auf die Beweisführung, dass die Opfer auf gar keinen Fall Kollaborateure oder Geheimagenten der Gestapo waren. Nach Léon-Lévy führte der Angeklagte Angehörige zusammen, indem er sie gemeinsam in den Tod geleitete. Für das beeindruckendste Plädoyer zeichnete Maître Pierre Véron verantwortlich, der in seiner Rede die Dreyfus-Familie vertrat.
    „Ich habe das Glück, eine Klage gegen einen Mann zu führen, der nur ein unbedeutender Hochstapler ist“, begann er den Angriff auf Petiots Behauptungen, ein Résistance-Kämpfer gewesen zu sein. Basierend auf der Unkenntnis der einfachsten Fakten und der zahlreichen Widersprüche in seinen Aussagen, sei es schlichtweg unmöglich, dass er im Widerstand gekämpft habe. Ein Geschworenengericht aus achtjährigen Kindern hätte problemlos Lücken in der Behauptung bezüglich der Geheimwaffe erkennen können.
    Véron erinnerte an einen der wichtigsten Augenblicke des Prozesses, in dem er Petiot mit der bekannten Geschichte der „Naufrageurs“ oder auch Strandräuber konfrontierte:
    Böse Menschen stellten Laternenpfähle auf Kliffs, um damit in Seenot gekommene Schiffe anzulocken, die hofften, einen sicheren Hafen oder eine Bucht zu erreichen. Die zuversichtlichen Seeleute, nicht in der Lage, solch böse Taten vorauszusehen, zerschellten mit ihren Schiffen an den Riffs und verloren das Leben und ihre Besitztümer. Die sie getäuscht hatten und ihre Not schamlos ausnutzen, bereicherten sich an dem Treibgut. Genau so ein Mensch ist Petiot – der heimtückische Retter, der Menschen in die vermeintliche Sicherheit führt.
    Die Helden des französischen Widerstands hätten ihr Leben nicht im Kampf gelassen, in den Folterkammern oder auf dem Exekutionsplatz verwirkt, damit sich nun ein Mensch wie Dr. Petiot hinter ihrer Flagge verstecke.
    Véron erinnerte die Geschworenen, dass die Gestapo den Arzt aus dem Gefängnis entlassen habe. Das könne mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf zurückgeführt werden, dass die Deutschen hinsichtlich seiner Aktivitäten nicht „sonderlich besorgt“ gewesen seien. „Ich weiß nicht, ob Petiot für die Gestapo spionierte oder nicht, doch eines ist sicher: Der Rauch, der aus dem Kamin in der Rue Le Sueur aufstieg … vereint sich mit dem Rauch der Krematorien von Auschwitz oder Belsen.“ Petiot sei in Wahrheit noch niederträchtiger als die Mörder in den Todeslagern der Nazis,

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