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Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Titel: Der Serienmörder von Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David King
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„Mit anderen Worten – ihr seid alle Bastarde!“
    Maître Henry wiederholte daraufhin die zuvor getätigte Äußerung, dass der Fall vor dem Obersten Gerichtshof der Übergangsregierung verhandelt werden sollte, einem gerade erst gegründetem Tribunal, das sich speziell auf Fälle von Vaterlandsverrat konzentrierte und dessen Gerichtsbarkeit über einem strafrechtlichen Prozess stand. Leser unterbrach den Juristen und riet ihm, solche Vorschläge für sich zu behalten. Maître Stéfanaggi stimmte seinem Kollegen zu. Petiot begann lauthals zu brüllen, und auch einige Rechtsanwälte konnten ihre Emotionen nicht mehr unterdrücken.
    Aufgebracht über den Verstoß gegen das Protokoll, verließ Leser den Gerichtssaal. Die beisitzenden Richter, der Gerichtsschreiber und weitere Beamte folgten ihm. Eine Person, die in der Nähe von Leser saß, meinte, dass er den Prozess unterbrochen habe, doch niemand war sich da ganz sicher. Als sich die Wogen glätteten, wirkte Floriot sichtlich zufrieden. Zweifellos legte er sich ein Konzept für einen Prozess wegen Verfahrensmängeln zurecht, basierend auf der Tatsache, dass der Vorsitzende Richter mitten in einer Verhandlung den Saal verlassen hatte.

EGAL WIE DIESER PROZESS AUCH ENDET, ICH WERDE IMMER STOLZ SEIN, EINE ZELLE MIT DR. PETIOT GETEILT ZU HABEN.
    (Lieutenant Richard Héritier)
    N ach einer Pause am Sonntag begann die dritte und letzte Woche des Verfahrens am Montag, dem 1. April. Zu dem Zeitpunkt hatten alle Zeugen der Anklage bereits ausgesagt, woraufhin die Verteidigung ihre Zeugen vernehmen durfte. Der Dienstag und der Mittwoch waren für die Plädoyers der zivilrechtlichen Anwälte vorgesehen, gefolgt vom Abschlussplädoyer der Staatsanwaltschaft. Am Donnerstag hatte Floriot Gelegenheit, die Ansicht der Verteidigung zusammenzufassen, wonach sich die Geschworenen zur Beratung zurückzogen. Zumindest sah es der Plan so vor, den sich Leser zurechtgelegt hatte.
    An diesem Morgen zirkulierten Gerüchte, dass die Richter des Kriegsverbrechertribunals in Nürnberg eine Unterbrechung des historischen Verfahrens vornehmen wollten, um dem Petiot-Prozess beizuwohnen. Tatsächlich erwarteten viele Zuschauer, dass Robert H. Jackson, Oberster Richter des U.S. Supreme Court, und seine amerikanischen, sowjetischen, britischen und französischen Kollegen jeden Moment den Saal betreten und sich in die Reihe der hinter Leser aufgestellten Stühle setzten. Andere hielten es für ein weiteres haltloses Gerücht, das sich in dem aufgeheizten Klima des unorthodoxen Prozesses verbreitete, dass es möglicherweise sogar ein Aprilscherz sein könnte.
    Da der 1. April gleichzeitig der 13. Tag des Verfahrens war, sagten einige Astrologen und Tarotkarten-Leger einen großen Tag für Marcel Petiot voraus. Zum ersten Mal seit Beginn hatte niemand mehr Probleme, einen freien Sitz zu ergattern, da sich deutlich weniger Zuschauer einfanden. Viele Pariser hatten sich schon eine Meinung gebildet und wussten zweifellos, dass die Zeugen der Verteidigung keine dramatischen Aussagen machen würden. An dem klaren und sonnigen Frühlingstag zogen sogar die regelmäßigen Besucher einen Spaziergang über die Boulevards bzw. durch die Parks oder einen Platz in den Straßencafés dem Drama im Justizpalast vor.
    Bevor man den ersten Zeugen aufrief, ergriff Maître Henry die Gelegenheit, um klarzustellen, was er am vergangenen Prozesstag ausdrücken wollte. Es habe überhaupt nicht in seiner Absicht gelegen, Petiot des Landesverrats anzuklagen oder den Prozess an den Obersten Gerichtshof zu überantworten, egal, an was sich die Zuschauer oder Journalisten erinnerten. Stattdessen habe er lediglich sicherstellen wollen, dass der Angeklagte und seine Komplizen für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen würden. Es war kein sonderlich rühmlicher Widerruf. Leser unterbrach ihn denn auch, um den ersten Zeugen aufzurufen.
    François Comte, ein dekorierter Veteran aus dem Ersten Weltkrieg und Geschäftsbesitzer in Villeneuve-sur-Yonne, sprach in lobenswerten Tönen von den Begegnungen mit Petiot als Patient seiner Praxis. Er lobte Petiot wegen dessen Verdiensten um die Armen, darunter die regelmäßigen und kostenlosen Behandlungen. Comte erklärte weiterhin, wie Petiot, ein unschuldiger und unbescholtener Mann, in eine solch verzwickte Lage geraten konnte: Es seien die boshaften Verleumdungen seiner Feinde dafür verantwortlich gewesen.
    Nach dieser erstaunlichen Theorie, die er mit großem Nachdruck vertrat,

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