Der Serienmörder von Paris (German Edition)
befolgte.“ Die nicht näher genannte Gruppe waren natürlich die Kommunisten, die in Frankreich und weiteren besetzten Ländern Europas zahlreiche Widerstandskämpfer bereitstellten.
„Nach der Prügel, die er durch die Presse einstecken musste“, fuhr Héritier fort, „würde eine Partei, die sich zu Petiot bekennt, bei einer Wahl haushoch verlieren.“ Petiot habe sich in anderen Worten „für die Sache geopfert“, um nun ohne die gebührende Anerkennung ausgestoßen zu werden.
Petiot fragte den Zeugen, ob ein rational denkender Mensch annehmen könnte, dass er der Gestapo gedient habe.
„Das glaube ich nicht“, meinte Héritier. „Egal, wie der Prozess auch endet, ich werde immer stolz darauf sein, eine Zelle mit Dr. Petiot geteilt zu haben.“
Nachdem der Widerstandskämpfer und ehemalige Zellengenosse Roger Courtot ausgesagt hatte, dass Petiot „ohne Frage ein wahrer und mutiger Résistance-Kämpfer war“, rief die Verteidigung Germaine Barré in den Zeugenstand, eine stilsichere blonde Schneiderin, die dem britischen Geheimdienst zugearbeitet hatte. Sie hatte sich in Jodkums Büro aufgehalten, als der Gestapo-Mann Petiot verhört hatte.
Basierend auf dem, was sie gehört und gesehen hatte, war sich Barré sicher, dass Petiot niemals für die Deutschen spioniert hatte. Sie zitierte dem Gericht Petiots Antwort auf Jodkums Frage, ob er sich für ein Lösegeld von 100.000 Francs freikaufen wolle: „Mir ist es egal, ob Sie mich freilassen oder nicht. Ich leide an Magenkrebs und habe nicht mehr lange zu leben.“ Barré beobachtete dann, wie Jodkum Petiots Bruder anrief, um von ihm die Summe zu erpressen.
Petiot fragte die Zeugin, ob sie sich an seine Antwort erinnern könne, als Jodkum ihn zu einem Eid verpflichten wollte, niemals auf irgendeine Art und Weise gegen das Deutsche Reich aktiv zu werden. Ja, antwortete Barré, der Angeklagte habe seine Unterschrift verweigert.
Durch die Zeugenaussagen zeigte sich dem Gericht eine andere und vollkommen neue Seite von Petiots Persönlichkeit. Gleichzeitig blieb eine fundamentale Frage ungeklärt. Obwohl viele Zeugen von Petiots überaus großem Engagement als Arzt berichteten und von seinem Mut während der Gestapo-Haft, gelang es der Verteidigung nicht, einen wichtigen Punkt klarzustellen: Hatte Petiot im Dienst der französischen Résistance wirklich nur Deutsche und Kollaborateure getötet?
Gemessen an den Zuschauerzahlen der vergangenen zwei Wochen, herrschte am 14. und 15. Tag im Gerichtssaal gähnende Leere. „Das wird heute aber eine Pleite“, beschrieb es Petiot ironisch. Durch das wunderschöne Frühlingswetter boten sich verschiedene Ablenkungen. Darüber hinaus standen die Plädoyers der zivilrechtlichen Anwälte an, die mit Sicherheit einige Wiederholungen garantierten. Bei mehreren Gelegenheiten wurde Petiot gesehen – oder sogar dabei fotografiert –, wie er auf der Anklagebank schlief. Eine französische Zeitung fasste es treffend zusammen: DER PETIOT-PROZESS GLEICHT EINEM SCHLAFSAAL.
Maître Archevêque legte den Fall Guschinow dar, Véron den Dreyfus-Fall, Maître Claude Perlès repräsentierte Madame Braunberger, Dominique Stéfanaggi vertrat die Angehörigen von Joseph Piereschi und Charles Henry die Grippay-Familie. Dabei kam so gut wie kein bedeutsames Material ans Tageslicht. Henry beschuldigte Petiot der Mitgliedschaft in einer geheimen „anti-französischen Terrororganisation“, die in einer engen Beziehung zu den Deutschen gestanden habe. Er beschrieb Petiot als einen „Nazi-Faun, der in den zwielichtigen Randbereichen der Gestapo sein Unwesen trieb“.
Henry hob sich von den anderen Rechtsanwälten ab, indem er die Probleme in langen, mit Wiederholungen durchsetzten Reden umriss. Damit wollte er „den kompletten Fall in einem neuen Licht erscheinen lassen“. Petiot erhob sich und kommentierte zur Freude des Publikums: „Ich möchte das Gericht daran erinnern, dass ich diesen Rechtsanwalt nicht bezahle.“ In dem Abschlussplädoyer redete Henry anscheinend über Gott und die Welt, mit Ausnahme seiner Klienten. Am Ende fragte ihn Président Leser: „Und was haben Sie zu Ihren Mandanten zu berichten?“
„Ich bin fertig“, meinte Henry. „Ich bestehe nicht auf weitere Ausführungen.“ Tatsächlich konnte er bis auf Indizienbeweise keinerlei Verbindung zwischen dem Verschwinden von Grippay und dem Angeklagten herstellen.
Andrée Dunant, die einzige weibliche Rechtsanwältin des Prozesses, glänzte hingegen mit
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