Der Serienmörder von Paris (German Edition)
niemals von einem Bandenmitglied beleidigen ließ, niemals!
Adrien musste Paris also so schnell wie möglich verlassen, doch er wollte nicht allein reisen. Er wählte einen seiner Laufburschen als Begleitung aus: Joseph Didioni Sidissé Piereschi, auch bekannt unter den Namen Zé, Dionisi oder Joseph aus Marseille. Der ungewöhnlich gutaussehende Mann mit einer fünf Zentimeter langen und ungefähr drei Zentimeter breiten Narbe, die vom Nasenansatz über die linke Wange verlief, stammte aus einem ähnlichen Milieu wie dieser. Mit 18 steckte man ihn wegen Mordes ins Gefängnis. Während des Ersten Weltkriegs desertierte er zwei Mal und verdiente sich daraufhin seinen Lebensunterhalt mit Straftaten wie dem Diebstahl von Militärvorräten und dem Verkauf von Waffen auf dem Schwarzmarkt. Im Herbst 1940 wurde er von den Deutschen aus einem Gefängnis in Marseille entlassen. Schon kurz darauf führte er einige Bordelle speziell für deutsche Soldaten.
Wie im Fall von Jo und François brachten Adrien und Zé ihre Geliebten mit. Adrien tauchte mit Gisèle Charlotte Rossmy auf, einer kleinen 34-jährigen Brünetten, die als Schreibkraft gearbeitet hatte und in dem Stück Gine Volna aufgetreten war. Zé kam mit Joséphine (oder Paulette) Grippay, (Künstlername „La Chinoise“), dem Star eines exklusiven Bordells in Marseille und erst seit kurzem wohnhaft in Paris. Schätzungen zufolge führten sie 800.000 Francs Bargeld zur Eröffnung eines Bordells in Südamerika bei sich.
Wie zuvor „tauschten“ die Gangster ihre Geliebten, um sich der Ehrlichkeit des jeweils anderen zu versichern. Am letzten Sonntag im März 1943 reiste Adrien mit Paulette ab, wenige Tage darauf folgte Zé mit Gisèle. Die Gruppe vereinbarte ein Zeichen, um die sichere Ankunft in Argentinien mitzuteilen. Sie schnappten sich einen 100-Francs-Schein, zeichneten eine stilisierte Sonne darauf und rissen ihn in der Mitte durch. Jede Reisegruppe nahm eine Hälfte mit. Adrien und Paulette wollten ihren Teil als Beweis für die sichere Ankunft über die verschlungenen Wege der Organisation zurücksenden. Nicht lange nach der Abreise händigte Petiot Fourrier den halben Geldschein aus. „Meine Männer haben sie sicher rausgeschmuggelt“, kommentierte er.
Im März 1944 durchsuchten Massus Ermittler einen Schrank in der Rue Caumartin. Dort fanden sie die fehlende andere Hälfte …
Petiots engster Freund, der 49-jährige René Nézondet, wurde nun in Polizeigewahrsam genommen. Der große und schlanke Mann trug sein dunkles Haar gegelt und nach hinten gekämmt. Nézondet kannte Petiot länger und möglicherweise besser als jeder andere, die Familie ausgenommen.
Massu wusste bereits, dass die beiden während ihrer Junggesellentage in Yonne oft gemeinsam zu Abend gegessen hatten. Zwanzig Jähre später wurden sie zusammen von der Gestapo verhaftet. In der Zwischenzeit verletzte sich Nézondet den Arm, woraufhin er die Tätigkeit als Büroangestellter aufgab und mit der Forellenzucht begann sowie dem Anbau von Brunnenkresse auf einem Bauernhof außerhalb von Villeneuve-sur-Yonne. Zusätzlich eröffnete er ein Restaurant und den Veranstaltungssaal La Fontaine-Rouge. Die Petiots nahmen oft am samstagabendlichen Tanz teil, vermutlich auf Drängen von Georgette hin. Marcel Petiot hasste es zu tanzen.
Nach dem Ende der ersten Ehe und dem Verlust des Bauernhofs durch ein Feuer zog Nézondet 1936 nach Paris und verdiente sich dort den Lebensunterhalt als Concierge bei Le Figaro . Er begann Petiot wieder regelmäßig zu sehen, nachdem er ihn wegen Halsbeschwerden, die noch vom Ersten Weltkrieg herrührten, aufgesucht hatte. Nézondet führte zu der Zeit eine neue Beziehung, und zwar mit einer Krankenschwester namens Aimée Lesage aus dem Hôspital Cochin. Schon bald dinierte das Paar mit den Petiots. Wegen der Besetzung von Paris war Le Figaro gezwungen, nach Lyon umzuziehen. Nézondet folgte den anderen, wurde kurz darauf aber wegen angeblicher Schwarzmarktgeschäfte gefeuert. 1942 kehrte er nach Paris zurück und traf sich erneut mit Petiot. Der alte Freund verschaffte ihm Arbeit und zwar bei Victor Braun, einem seiner Patienten, der ein pharmazeutisches Unternehmen führte, das hauptsächlich die deutsche Armee belieferte.
Ein Inspektor, der Nézondet zuvor beobachtet hatte, wies Massu darauf hin, dass er es möglicherweise mit einem schwierigen Verdächtigen zu tun habe, da dieser bei der geringsten Provokation übermäßig nervös reagiere. Man müsse ihm
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