Der Serienmörder von Paris (German Edition)
quasi jede seiner einsilbigen Antworten mit höchstem Fingerspitzengefühl aus der Nase ziehen. Derart vorgewarnt, begann Massu das Verhör behutsam und sehr vorsichtig. Er ging zur anderen Seite des Raums und stellte sich hinter den Verdächtigen, ohne ein Wort zu sagen. Massu stand dort still und wühlte in einem Aktenschrank. Nézondet war bis aufs Äußerste angespannt. Seine hochgezogenen Schultern bewegten sich nicht.
Hinsichtlich des unkooperativen Verhaltens hatte der Inspektor recht gehabt. Als Massu ihn fragte, ob er zu seinem alten Freund eine gute Beziehung habe, antwortete Nézondet nicht. Dann fragte er ihn nach der augenblicklichen Beschäftigung, was dieser ausweichend beantwortete. Massu, mittlerweile der Spiele überdrüssig, drückte auf einen Knopf und befahl der kurz darauf eintretenden Sekretärin, den Zeugen zu beobachten.
Er ging in ein nahegelegenes Bistro am Place de Dauphine und genehmigte sich einen Hochprozentigen. Nézondet war zwischenzeitlich sich selbst überlassen und sollte erst einmal ein wenig „brutzeln“. Als Massu nach eineinhalb Stunden wieder das Büro betrat, fragte er Nézondet erneut nach seiner Beziehung zu Dr. Petiot. Diesmal erzählte der von der Leidenschaft des Freundes für Kunst, Möbel und die „kleinen“ Geschäfte. Zum Beispiel habe Petiot im letzten Frühling gefragt, ob sein Arbeitgeber am Erwerb von „1.000 bis 2.000 Flaschen Cognac“ interessiert sei, die er den Deutschen weiter verkaufen könne. Braun lehnte das Angebot ab, denn das Militär hatte den Großeinkauf von Alkohol eingestellt. Was für ein interessantes Angebot von einem angeblichen Résistance-Kämpfer!
Massu befragte Nézondet dann hinsichtlich der Behauptungen des Spedition-Besitzers und Gebrauchtmöbelhändlers Roland Porchon. Dieser hatte angegeben, 16 Leichen in der Rue Le Sueur gesehen zu haben? Diese Aussagen honorierte Nézondet mit einem schallenden Lachen. Das sei doch haarsträubend, völlig aus der Luft gegriffen, meinte er. Porchon habe doch nur das Gerede eines anderen weiterverbreitet. Und wer sei diese besagte Person? Nézondet wand sich wie ein Aal und versuchte ständig auszuweichen oder zu leugnen, bis er endlich die Informationsquelle nannte – Maurice Petiot. Am 22. März erklärte er dann, von nun an die Wahrheit sagen zu wollen.
Ende 1943, im November oder Dezember, habe er sich mit Maurice Petiot, dem Bruder, im Hôtel Alicot verabredet, um über den Kauf von Elektrogeräten zu verhandeln. Petiot sei eine Stunde zu spät gekommen, ganz außer sich, nervös, so, wie Nézondet es noch nie erlebt habe. Er sah „weiß wie ein Bettlaken“ aus.
„Ich komme gerade vom Haus meines Bruders“, sagte Maurice angeblich. „Da ist genug, um uns alle zu erschießen!“
„Genug was? Versteckte Waffen? Ein geheimes Funkgerät?“
„Ich wünschte, das wäre so. Die Reisen nach Südamerika beginnen und enden in der Rue Le Sueur!“
Zu dem Zeitpunkt – Petiot wurde noch von der Gestapo festgehalten – hatte Maurice einen „Haufen Leichen und Löschkalk entdeckt – sie waren alle nackt mit abrasierten Haaren und Augenbrauen“. In der Nähe fand er ein Notizbuch, das die Namen und Adressen aller Opfer enthielt, mit dem Datum der Hinrichtungen und weiteren Einzelheiten. Maurice entdeckte auch eine Injektionsnadel, Gift und noch mehr Leichen. „Es müssen 50 bis 60 Opfer gewesen sein.“ Angeblich fand er viele Kleidungsstücke, darunter Anzüge, Kleider und deutsche Militäruniformen.
Nézondet drückte sein Entsetzen aus, behauptete, dass es nicht stimmen könne, dass es „ein Alptraum ist“. Doch Maurices Gesichtsausdruck ließ keine Zweifel zu und bestätigte Nézondets schlimmste Befürchtungen. Er bemerkte das Zittern der Hände von Petiots Bruder, als dieser über den Fund erzählte.
Darüber hinaus berichtete Maurice laut Nézondet noch von weiteren Details, nämlich der Art und Weise der Hinrichtung mithilfe einer automatischen Injektionsnadel. Das Opfer, hilflos gefangen in dem dreieckigen Raum, drückte schließlich auf eine Klingel, um Hilfe zu rufen. In dem Knopf befand sich eine scharfe, dünne, verborgene Injektionsnadel, die das Gift direkt in den Finger spritzte. Somit hatte Petiot technisch gesehen seine Opfer nicht selbst getötet, denn sie hatten ihm die Arbeit auch noch abgenommen.
„Warum haben Sie nicht die Polizei informiert?“, wollte Massu wissen. „Es wäre Ihre Pflicht gewesen!“ Nach dem am 25. Oktober 1941 in Kraft getretenen
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