Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)
Träume.
045
Ellie sah sich um und sie erkannte einfache Betten und Pritschen, auf denen Menschen lagen.
Sie erkannte sofort, dass sie in Adelheid war, die in einem Lager half.
Sie erfasste auch augenblicklich, um welches Lager es sich handeln musste.
Natürlich war sie in Wanda.
Wo hätte sie sonst sein sollen? Die Frage stellte sich ihr gar nicht erst.
Sie saß auf einem Schemel neben einer Art Feldbett und löffelte Suppe in ein Mädchen, die sie als Anna, die Enkelin des Vogts in Aldinroide erkannte, auch wenn sie sich stark verändert hatte.
Ihr Gesicht war rötlich gequollen und sie hatte dicke, teils faustgroße Beulen am Hals und im Gesicht.
Die Haut an diesen Stellen hatte eine Farbe angenommen, die sich kaum in Worte fassen ließ. Grau, Rot, Braun und ein Hauch Violett flossen in einem Farbenspiel zusammen.
Sie konnte kaum mehr als einen Löffel zu sich nehmen, ohne zu husten und Essensreste durch die Nase zu pusten, weil sie versuchte den Hustenreiz zu unterdrücken.
Blut lief ihr aus Mundwinkeln und Nasenlöchern und sie sah Adelheid mit flehenden Augen an.
Scheinbar durchlitt sie große Schmerzen.
Und doch enthielt ihr Blick eine große Portion Dankbarkeit für die Pflege. Auch das sah Ellie sehr deutlich.
Adelheid wischte Anna das Blut fort und Ellie merkte, wie sie dem Kind aufmunternd zulächelte.
Sie stand auf und reckte ihren Rücken, der durch das dauernde, gebeugte Sitzen schmerzte.
Es musste einiges später sein, als nach der Ankunft in Wanda.
In dem Lager waren nicht nur drei oder vier Lagerstätten, sondern gut ein Dutzend, die Ellie sofort sehen konnte. Vielleicht sogar noch mehr.
Auch sah sie weder Johanna, noch Barbara, die laut Amadeus als erste infiziert worden waren.
Sie hörte das Knarren einer Tür, die scheinbar provisorisch in eine ebenso behelfsmäßige Holzwand eingesetzt worden war.
Während die Tür geöffnet war, drangen Schreie durch den Raum, die sie zwar schon zuvor wahrgenommen, aber nicht als solche erkannt hatte.
Im Raum nebenan wandte sich jemand in Krämpfen, und Elvira befürchtete zu wissen was dort vor sich ging.
Amadeus schritt durch den Raum und erkundigte sich nach Anna Befinden.
„Nun, Adelheid? Wie geht es ihr?“
„Die Beulen sind gereift und weiter geschwollen. Sie leidet, Vater. Sehr.
Ihr kleiner Körper wird matter und sie entgleitet uns langsam. Kaum dass sie etwas Suppe genommen hat, speit sie sie meist wieder aus.“
„Hat das Storchenfett nicht geholfen? Dann werden wir die Beulen öffnen müssen, um die giftigen Säfte ausfließen zu lassen. Sonst ist sie nicht mehr lange bei uns.“
Elvira zuckte zusammen, bei diesen Worten.
Ihr schossen gleich mehrere Gedanken durch den Kopf.
Wie grausam es war, die geschwollenen Lymphknoten ohne Betäubung aufzuschneiden, war nur einer davon. Soweit ihr bekannt war, taten die Beulen auch ohne dass jemand mit einem Messer daran herumschnitt, fürchterlich weh.
Ein anderer Gedanke war der, den Inhalt der Pestbeulen ausfließen zu lassen, den hochinfektiösen Schleim vor sich zu haben und unter Umständen einzuatmen.
Generell war es ein barmherziger Akt von Selbstmord, sich den Sterbenden ohne Schutz auszusetzen.
Aber scheinbar gab es keinen Medicus vor Ort, der sich der Kranken annahm.
Entweder weil sich niemand traute hier zu praktizieren, oder weil niemand zugegen war in solch einem relativ kleinen Dorf.
Auch wenn es Sitz einer Burg und eines Adelsgeschlechtes war.
„Ich werde mit dem Schmied reden, dass er die Messer frisch schleift.“, sprach der Priester und zog seines Wegs.
Adelheid hingegen blieb bei der Kranken. Sie setzte sich wieder zu ihr und hielt ihre Hand, als würde ihr dies Linderung verschaffen.
Das kranke Kind wollte etwas sagen, aber Adelheid legte sich ihren Finger auf die Lippen und machte einen Zischlaut um ihr zu deuten, sie möge ruhig sein.
„Sei still Anna. Spar deine Kräfte für das, was bald kommt. Da wirst du stark sein müssen.
Trink etwas von dem Weidensud, das lindert deine Pein, auch wenn er bitter wie Galle ist.“
Das Kind gehorchte und versuchte etwas von dem bitteren Getränk in sich zu behalten, was ihr, im Gegensatz zu den Versuchen mit Brühe zuvor, auch gelang.
Ein Mann, der nur zwei Betten entfernt lag, erbrach sich auf den Boden und Adelheid zuckte nicht einmal.
Sie war dermaßen erschöpft, dass sie sich kaum mehr gerade halten konnte. Elvira spürte, dass die Frau seit Tagen nicht geschlafen hatte, außer in kurzen Zeiträumen auf einem Schemel, wenn
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