Der Sichelmoerder von Zons
Bastian griff von Ekel ergriffen in den Hals des Toten hinein. Mit spitzen Fingern versuchte er, das Ende der Kette zu greifen. Doch es war glitschig. Er griff tiefer in den Hals hinein, während Josef die Wunde auseinanderhielt. Mit einem Ruck riss Bastian die Kette aus dem Schlund heraus und hielt sie pendelnd in der Hand. Am anderen Ende der Kette hing ein Schlüssel. „Ist das nicht die Kette, die wir gestern Abend in der Schenke ‚Zur alten Henne’ gesehen haben?“
„Das wäre gut möglich! Doch wie kommt sie in den Hals des Toten?“
„Er muss sie verschluckt haben.“
„Ich vermute, dass er sie kurz bevor er ermordet wurde, verschluckt hat. Sonst wäre sie jetzt entweder vollständig in seinem Magen gelandet oder er hätte sie längst wieder erbrochen“, murmelte Josef nachdenklich vor sich hin. „Nur durch seinen Tod konnte sie soweit oben in der Speiseröhre stecken bleiben.“
Bastian ließ den Schlüssel vor seinem Gesicht langsam hin- und herpendeln. Vor seinem geistigen Auge sah er Benedict wieder vor sich liegen. Röchelnd versuchte er, zu ihm zu sprechen.
„Rettet die Karte!“
„Was habt Ihr gesagt, Bastian?“
„Rettet die Karte. Das waren seine letzten Worte. Ich konnte ihn kaum verstehen.“
„Vielleicht wollte er den Schlüssel verschlucken, damit sein Mörder ihn nicht findet!“, entfuhr es Josef plötzlich aufgeregt.
„Das ist wahr! Die Schenke war gestern gut gefüllt. Nicht nur wir haben den Schlüssel gesehen. Der Mörder könnte auch dort gewesen sein!“
„Richtig, Wernhart hat den halben Abend über die drei Schlüssel und die Schützentruhe gesprochen. Er ist sicher nicht der Einzige, der von der Truhe weiß.“
„Und davon, was sie enthält.“
„Das Königssilber!“
VI
Gegenwart
Ehrfürchtig betrachtete er die goldene Sichel, welche vor ihm in einer mit Edelsteinen verzierten uralten Truhe auf weichen Samttüchern lag. Vorsichtig fuhr er mit seinen Fingerspitzen über die immer noch sehr scharfe Klinge. Er fühlte sich erhaben, weil er dazu auserkoren wurde, auf dieses wertvolle Kunststück aufzupassen, welches mehrere Jahrhunderte unentdeckt überdauert hatte. Sie hatten ihn gewählt, weil er sich als würdig erwiesen hatte. Nur die Besten bekamen die Chance ein „Hüter“ zu werden.
Demütig nahm er die Sichel aus der Truhe heraus. Die Lichtstrahlen reflektierten auf der goldenen Klinge und verbreiteten einen hellen Schimmer in dem kleinen dunklen Raum, in dem er seine Schätze aufbewahrte. Die Waffe lag gut in seiner Hand. Mit ein paar geübten Bewegungen führte er die Sichel blitzschnell durch die Luft. Geschmeidig wie ein Tiger absolvierte er ein paar Sprünge und Drehungen und die goldene Sichel fauchte dabei wie ein schnurrendes Kätzchen, während ihre Klinge die Luft zerschnitt.
Er hielt inne. Sein Puls raste und seine Lunge sog tief den Sauerstoff ein, den sein Körper brauchte, um die schnellen Bewegungen seiner Kampfkunst fehlerfrei ausführen zu können. Lange hatte er sich auf das, was nun zum Greifen nah vor ihm lag, vorbereitet. Doch noch war es nicht soweit. Er musste geduldig sein und den richtigen Zeitpunkt abwarten. Mit einem leisen Seufzer des Bedauerns legte er die goldene Sichel behutsam zurück auf die Samttücher in der Truhe. Mit einem kurzen Klicken versiegelte er das Schloss und stellte die Truhe zurück in den Safe, welcher sich hinter einem riesigen Gemälde verborgen in der Wand befand.
...
„Meine Herren, ich denke, Sie haben den Ernst der Lage nicht verstanden!“
Hans Steuermark hatte Mühe, seine Wut zu unterdrücken. Seine beiden Mitarbeiter der Kriminalkommission, eigentlich seine besten Ermittler, saßen mit versteinerten Mienen vor ihm und blicken starr auf den Boden.
„Nun, die Pressemeute wartet da draußen bereits auf mich und ich möchte von Ihnen wissen, was ich denen erklären soll! Es kann doch nicht so schwierig sein, die Leiche zu finden!“
Oliver stöhnte innerlich auf. Klar, es kann eigentlich nicht so schwierig sein, eine Leiche zu finden. Insbesondere dann, wenn sie offensichtlich mit Salzsäure in Berührung gekommen war. Aber in diesem Fall hatten sie leider immer noch kein Ergebnis vorzuweisen. In den letzten zwei Wochen hatten sie alles Mögliche überprüft. Sogar die Bestellungen von Salzsäure bei den größten deutschen Lieferanten hatten sie nachverfolgt, jedoch keinerlei Auffälligkeiten entdecken können. Auch die Analyse sämtlicher Vermisstenanzeigen
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