Der Sichelmoerder von Zons
Sorgen waren umsonst. Es ging ihm besser und das bedeutete, dass Bastian auch Heinrichs Wunsch nicht sobald erfüllen musste. Dass Heinrich auch ausgerechnet im Kloster Knechtsteden seine letzte Ruhe finden wollte. Das würde er wohl nie verstehen. Unwillkürlich schüttelte er den Kopf bei diesem Gedanken.
Pfarrer Johannes kam mit rauschenden Gewändern auf ihn zu. Er hatte sich nach dem letzten Gottesdienst noch nicht wieder umgezogen und trug ein kostbares, mit goldenen Verzierungen besticktes Gewand. Herzlich nahm er Bastian in die Arme, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und flüsterte ihm zu:
„Folgt mir in den Nebenraum, mein lieber Junge.“
Bastian tat, wie ihm geheißen. Er nickte Bruder Ignatius, der in seinem einfachen, dunkelbraunen Mönchsgewand neben Johannes sehr unscheinbar wirkte, noch einmal dankbar zu und lief dann schnurstracks hinter Pfarrer Johannes her. Dieser lief so schnell, dass Bastian tatsächlich Mühe hatte, Schritt zu halten. Im Nebenraum angekommen, schloss Pfarrer Johannes die Tür und fragte ihn aufgeregt:
„Oh Bastian. Ich sehe es Euch an. Ihr habt den dritten Schlüssel, oder?“
„Ihr seid ein guter Beobachter, Pfarrer Johannes!“
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht zog Bastian den dritten Schlüssel hervor und überreichte diesen dem Pfarrer.
„Ihr habt es tatsächlich geschafft. Ich bin so stolz auf Euch, mein Junge!“
Pfarrer Johannes nahm den Schlüssel ehrfürchtig entgegen. Vorsichtig hielt er ihn hoch und drehte ihn hin und her. Dann legte er ihn auf den Tisch und begann abermals den schweren Eichenschrank beiseitezuschieben. Bastian half ihm und mit einem Ruck schrammte der Schrank über den steinernen Kirchenboden. Pfarrer Johannes tastete an der Wand entlang, bis er den kleinen Hebel fand und diesen nach oben drehte. Mit leisem Klicken öffnete sich ein Spalt in der dicken Kirchenwand. Pfarrer Johannes griff nach dem uralten Leinentuch und legte es zu dem dritten Schlüssel auf den Tisch. Er ordnete alle drei Schlüssel nebeneinander an und betrachtete sie überwältigt.
„Wisst Ihr Bastian, seit diese Schlüssel vor über einhundert Jahren voneinander getrennt wurden, haben sie nie wieder beieinandergelegen!“
Bastian runzelte die Stirn und dachte an Josefs Worte von heute Morgen.
„Pfarrer Johannes, ich möchte Euch nicht beunruhigen, aber ich glaube, dass die Schützentruhe bereits geöffnet wurde.“
Der alte Pfarrer starrte Bastian ungläubig an und wurde plötzlich blass im Gesicht. Er griff sich an seine Brust und atmete schwer.
„Bastian, Ihr solltet einem alten Mann keinen Schrecken einjagen! Was meint Ihr damit, dass die Truhe geöffnet wurde?“
„Wir haben den Schlüssel aus Huppertz` Haus gestohlen. Genauer gesagt war es Wernhart. Im Haus von Huppertz befinden sich mindestens zweihundert Goldgulden, über die Wernhart fast gestolpert wäre. Außerdem hat Huppertz den mutigen Wernhart erwischt und trotzdem nicht bei der Stadtwache gemeldet. Hätte er ein reines Gewissen, hätte er Wernhart sofort in den Juddeturm sperren lassen.“
„Ihr habt den Schlüssel aus Huppertz` Haus gestohlen?“
Schuldbewusst senkte Bastian den Kopf.
„Pfarrer Johannes, es gab keine andere Möglichkeit. Wie sonst hätte ich Euch den dritten Schlüssel bringen können?“
Johannes bekreuzigte sich.
„Nun gut, Junge, darüber reden wir später! Zuerst müssen wir herausfinden, ob die Schützentruhe geöffnet wurde. Hoffentlich wurde das Vermächtnis des Erzbischofs von Saarwerden nicht entwendet!“
Pfarrer Johannes wickelte die drei Schlüssel in das alte Leinentuch ein und verbarg das Bündel unter seinem Gewand. Anschließend forderte er Bastian auf, den schweren Eichenschrank wieder an die ursprüngliche Stelle zurückzuschieben. Leise öffnete Pfarrer Johannes die Tür des kleinen Nebenraumes und lugte hinaus. Sein Bruder Ignatius war nicht mehr zu sehen. Erleichtert schob Johannes die Tür ganz auf und trat hinaus. Bastian folgte ihm.
„Wo ist Bruder Ignatius?“
„Er hatte es sehr eilig nach dem Gottesdienst. Er hat heute viele Aufgaben für das Kloster zu erledigen. Ich bin froh, dass er nicht mehr hier ist, denn für seine Augen ist das, was ich Euch gleich zeigen werde, nicht bestimmt. Folgt mir!“
Mit schnellen, kleinen Schritten bewegte sich Pfarrer Johannes an die andere Seite der Kirche und stieg die Treppe zur Krypta hinab. Ein kalter muffiger Geruch schlug ihnen entgegen, als Johannes die schwere Tür zum Kellergewölbe
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