Der Sichelmoerder von Zons
öffnete. Bastian begann zu frösteln. Er mochte diesen Ort nicht. Schon als ganz kleiner Junge hatte er sich in diesen Räumlichkeiten gegruselt. Hier unten war es nicht nur kalt und dunkel, sondern auch feucht. An den Wänden hatten sich tausende Wassertropfen gesammelt, die in kleinen Rinnsalen die Felswand hinabliefen. Das Tropfen des Wassers hallte rhythmisch in der Krypta wider. Fast so, als summte das Wasser eine uralte Melodie.
Johannes blieb abrupt stehen und nahm eine große Kerze in die Hand. Schnell entzündete er sie an einer kleinen Flamme, die hier unten stets brannte, damit man sich im Dunkeln zurechtfinden konnte.
„Wir müssen hier entlang!“
Er winkte Bastian hinter sich her. Dann blieb er an der gegenüberliegenden Stelle der Krypta stehen.
„Hier ist es. Wir befinden uns direkt unter dem St. Sebastianus-Altar. Seht Ihr den Bogen? Mit diesem hier wurde der heilige Sebastianus von numidischen Bogenschützen beschossen. Dieser Pfeil hier, hat seine Haut und sein Fleisch durchbohrt.“
Beeindruckt berührte Bastian den schweren alten Holzbogen. Das Holz fühlte sich spröde unter seinen Fingern an. Pfarrer Johannes begann eine alte Steinplatte auf dem Boden der Krypta beiseitezuschieben. Quietschend öffnete sich ein dunkler Abgrund vor Bastians Augen. Johannes hielt die Kerze hinein und Bastian konnte in Stein gehauene, unförmige Treppenstufen erkennen. Pfarrer Johannes stieg hinab und Bastian folgte ihm mit Unbehagen. Die Stufen waren feucht und glitschig. Vorsichtig stiegen die beiden die schier endlos lange Treppe hinab. Das flackernde Licht der Kerze erhellte einen Radius um Pfarrer Johannes Kopf herum und gab die unregelmäßig in Stein gehauene Gewölbewand preis. Die Decke war so niedrig, dass Bastian den Kopf einziehen musste, während Pfarrer Johannes bei seiner Größe bedenkenlos aufrecht gehen konnte.
Dann endete die Treppe und sie befanden sich in einem winzigen Raum. Johannes blieb stehen und leuchtete mit der Kerze die Wände ab. Der Raum schien leer. Im Schein der Kerze blitzten nur die Felsbrocken auf, aus denen die ganze Krypta samt Treppe und diesem Gewölbe hier bestand. Schwarzes Getier verkroch sich - getrieben vom plötzlichen Licht, welches die Dunkelheit durchbrach - blitzschnell in den Ritzen der Felswand. Dann fiel der Lichtschein auf eine große verzierte Truhe.
„Das ist sie!“
Pfarrer Johannes kramte das Leinentuch unter seinem Gewand hervor und zog die drei Schlüssel hinaus. Vorsichtig steckte er jeden Schlüssel in das dafür vorgesehene Schloss. Dann kratzte er sich am Kopf und dachte nach.
„Es gibt eine bestimmte Reihenfolge, in der die Schlüssel gedreht werden müssen. Wählt man die falsche Reihenfolge, öffnen sich die Säurekammern und zerstören den gesamten Inhalt der Truhe. Ich bin mir nicht mehr sicher, wie es geht!“
Die Verzweiflung stand Johannes für einen kurzen Moment ins Gesicht geschrieben, doch dann durchzuckte ein Erinnerungsblitz seine Gedanken. Er lächelte. Wahrscheinlich war er wirklich schon zu alt. Wie hatte er das nur vergessen können! Johannes nahm die Kerze und ging zurück zur Treppe. Er stieg drei Stufen hinauf und blieb dann stehen.
„Bastian, ich bin zu klein und mein Augenlicht ist zu schwach. Ihr müsst mir helfen.“
Bastian nahm Pfarrer Johannes die Kerze aus der Hand und leuchtete die Felswand ab. Zuerst sah er gar nichts. Doch dann entdeckte er eine in die Felsdecke eingehauene Zeichnung. Die Symbole waren so oberflächlich in den Fels geritzt, dass sie kaum zu entziffern waren. Doch nach längerem Hinsehen gaben sie die Reihenfolge der Schlüssel preis. Der Schlüssel an der linken Seite der Truhe musste zuerst gedreht werden. Dann folgte der Schlüssel auf der gegenüberliegenden Seite und erst zuletzt musste das Schloss an der Vorderseite geöffnet werden.
„Erst links, dann rechts und dann die Mitte“, stieß Bastian hervor und Pfarrer Johannes sprang flink wie ein Wiesel in die Dunkelheit des Gewölbes zurück. Bastian folgte ihm mit der Kerze in der Hand. Im Nu hatten sie die Truhe geöffnet und blickten mit klopfenden Herzen hinein. Nichts! Vollkommene Schwärze starrte Ihnen entgegen. Bastian blieb vor Aufregung fast die Luft weg. Oh nein! Er hatte recht behalten, Huppertz hatte die Truhe geleert!
Doch Pfarrer Johannes zeigte sich von dem schwarzen Nichts zunächst gänzlich unbeeindruckt. Mit geschickten Fingern begann er am Rand der Truhe entlangzufahren. Dann griff er hinein und zog mit
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