Der siebente Sohn
den Jungen abgelenkt.«
»Dieser Junge wurde schon abgelenkt geboren«, sagte Ma, ohne den Blick von Alvins Gesicht zu nehmen. »Er schlägt seinem Vater nach. Wenn man ihn nicht anschirrt und sattelt und zur Kirche reitet, kommt er nie dort an, und wenn man seine Füße nicht an den Kirchenboden festnagelt, ist er in der nächsten Minute schon wieder aus der Tür verschwunden. Ein zehnjähriger Junge, der den Herrn haßt, das ist genug, um seine Mutter sich wünschen zu lassen, daß er nie geboren worden wäre.«
Die Worte trafen Alvin Junior mitten ins Herz.
»Das ist ein schrecklicher Wunsch«, sagte Geschichtentauscher. Seine Stimme war ganz leise, und schließlich richtete Ma ihren Blick auf das Gesicht des alten Mannes.
»Ich wünsche es auch nicht«, sagte sie schließlich.
»Es tut mir leid, Mama«, sagte Alvin Junior.
»Kommt herein«, sagte sie. »Ich bin aus der Kirche gegangen, um euch zu suchen, und jetzt ist nicht mehr genug Zeit, um noch vor Ende der Predigt wieder dort zu sein.«
»Wir haben über sehr viele Dinge gesprochen, Mama«, erzählte Alvin. »Über meine Träume und Ben Franklin und…«
»Die einzige Geschichte, die ich von dir hören will«, antwortete Ma, »ist der Klang einer gesungenen Hymne. Wenn du schon nicht in die Kirche gehst, dann wirst du dich in der Küche zu mir setzen und mir Hymnen vorsingen, während ich das Essen mache.«
So bekam Alvin den Satz des Alten Ben in Geschichtentauschers Buch vorläufig nicht zu sehen. Ma ließ ihn bis zum Abendessen singen und arbeiten, und nach dem Essen blieben Pa und die großen Jungen und Geschichtentauscher sitzen, um die morgige Expedition zu planen, mit der sie einen Mühlstein vom Granitberg holen wollten.
»Das tue ich für Euch«, sagte Pa zu Geschichtentauscher, »also solltet Ihr besser mitkommen.«
»Ich habe Euch nie darum gebeten, einen Mühlstein zu beschaffen.«
»Seit Ihr hier seid, ist kein Tag vergangen, da Ihr nicht etwas darüber gesagt hättet, welch eine Schande es doch sei, daß eine solch prächtige Mühle nur als Heuschober dient, wo die Leute hier doch gutes Mehl brauchen.«
»Soweit ich mich erinnern kann, habe ich das nur einmal gesagt.«
»Nun, vielleicht«, erwiderte Pa, »aber jedes Mal, wenn ich Euch erblicke, muß ich an diesen Mühlstein denken.«
»Das liegt ja nur daran, weil Ihr Euch wünscht, daß der Mühlstein dagewesen wäre, als Ihr mich geworfen habt.«
»Das wünscht er sich aber gar nicht!« rief Cally. »Denn dann wärt Ihr jetzt tot!«
Geschichtentauscher grinste nur, und Papa grinste zurück. Schließlich brachten die Frauen die Neffen und Nichten zum Sonntagsessen herüber, und sie ließen sich von Geschichtentauscher so oft das Lachlied vorsingen, bis Alvin schon dachte, daß er einen Schreianfall bekommen würde, wenn er noch einen weiteren Refrain des »Ha, ha, hi« zu hören bekäme.
Erst nach dem Essen, nachdem die Neffen und Nichten alle wieder gegangen waren, holte Geschichtentauscher sein Buch.
»Ich habe mich schon gefragt, ob Ihr dieses Buch jemals öffnen würdet«, bemerkte Pa.
»Habe nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet.«
Dann erklärte Geschichtentauscher, wie die Leute darin ihre wichtigste Tat eintrugen.
»Ich hoffe, daß Ihr nicht von mir erwartet, daß ich etwas hineinschreibe«, meinte Pa.
»Oh, ich würde Euch gar nicht hineinschreiben lassen, noch nicht. Ihr habt mir ja noch nicht einmal die Geschichte Eurer wichtigsten Tat erzählt.«
Geschichtentauschers Stimme wurde noch leiser. »Vielleicht habt Ihr Eure wichtigste Tat ja auch noch gar nicht begangen.«
Daraufhin sah Pa ein bißchen wütend aus, vielleicht auch ein wenig verängstigt. »Zeigt mir, was in diesem Buch steht, was andere Leute für so fürchterlich wichtig gehalten haben.«
»Oh«, machte Geschichtentauscher. »Ihr könnt lesen?«
»Ich teile Euch hiermit mit, daß ich in Massachusetts eine Yankee-Ausbildung genossen habe, noch bevor ich heiratete und mich als Müller in West Hampshire niedergelassen habe und lange bevor ich hierher kam. Im Vergleich zu einer Londoner Ausbildung wie Eurer, Geschichtentauscher, mag das nicht viel wert sein, aber Ihr könntet kein Wort schreiben, das ich nicht lesen könnte, es sei denn, es ist auf Lateinisch.«
Geschichtentauscher antwortete nicht. Er öffnete nur das Buch. Pa las den ersten Satz. »Das einzige, was ich wirklich jemals gemacht habe, waren Amerikaner.«
Pa blickte zu Geschichtentauscher empor. »Wer hat das
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