Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
geglätteten Wälle der Festung waren nun sichtbar; im wiedergeborenen Sonnenschein leuchteten sie in farbenprächtigem Glanz, der ihm sowohl ein Gefühl von Kleinheit wie auch gleichzeitig der Entschlossenheit vermittelte. Er erhaschte darin einen Ausblick in die wahre Tiefe seiner Bereitwilligkeit, sich fürs Land zu opfern. Jetzt ließ sich bloß noch hoffen, daß es genug war, was er dem Land zu bieten hatte. Eigentlich gab es nur eines, das er Covenant nicht verzeihen konnte: daß der Zweifler sich weigerte zu kämpfen. Schließlich überwand er die letzte Steigung, und da sah er die Lords vorm Tor versammelt, über die ausgedehnte, diszipliniert aufgereihte Masse des Kriegsheers schauend. Der Anblick des Kriegsheers ließ Stolz in ihm emporschwellen. Diese Armee war sein Werk – ein Instrument nach seiner Formung, eine Waffe, durch ihn selbst geschärft, von der er wußte, wie er sie einzusetzen hatte. Jeder Krieger stand innerhalb seines Fähnleins an seinem Platz; jedes Fähnlein hatte seine Position um die Standarte seiner Schar eingenommen, die im Wind flatterte; und die achtunddreißig Scharen breiteten sich zu Füßen der Herrenhöh aus wie ein Mantel aus Menschen. Mehr als sechzehntausend metallene Brustplatten fingen das aufgegangene Feuer der Sonne ein. Alle Krieger waren zu Fuß, außer die Scharwarte und ein Drittel der Streitwarte. Diese Unterführer waren beritten, um auf dem Marsch die Standarten und Trommeln mitzuführen, aber auch, um innerhalb des Kriegsheers die Übermittlung von Meldungen und Befehlen zu sichern. Troy war sich unangenehm dessen bewußt, daß seiner Armee als einziges ein Mittel zur Sofortverständigung fehlte. Ohne ein solches Hilfsmittel fühlte er sich angreifbarer, als er sich gern eingestand. Um einen gewissen Ausgleich zu schaffen, hatte er eine Nachrichtentruppe aus Reitern aufgestellt, die während der Kämpfe hin- und herpreschen sollten. Und er hatte seine Offiziere in der Anwendung komplizierter Codes, Feuerzeichen und Flaggensignale gedrillt, so daß zumindest manche Sachverhalte innerhalb der Sichtweite auf visuellem Wege übermittelt werden konnten. Zufrieden war er aber nicht. Abertausende von Menschenleben lagen in seiner Hand. Während er über seine Truppen spähte, schien der Ast, auf dem er balancierte, im Wind stark zu schwanken. Er riß sich vom Anblick des Kriegsheers los und musterte die berittene Versammlung am Tor. Nur Trevor und Loerja fehlten. Die Lords Amatin und Mhoram waren dabei, zwanzig Bluthüter, eine Handvoll Allholzmeister und Glutsteinmeister, sämtliche Lehrwarte, die auf Besuch in Schwelgenstein weilten, und Trutzmark Amorine. Covenant saß auf einem Clingor -Sattel auf einem der Rösser Schwelgensteins. Und an seiner Seite befand sich der Hoch-Lord. Myrha, die goldbraune Ranyhynstute, ließ Elena mehr denn je wie den Inbegriff einer Heldin wirken, einer edlen Gestalt wie jene sagenhafte Königin, für die Berek seinen großen Krieg ausgefochten hatte. Sie lehnte sich hinüber zu Covenant, lauschte ihm mit einem Interesse – beinahe mit Respekt –, das sich in jedem Umriß ihrer Haltung widerspiegelte. Dieser Anblick erboste Troy. Seine eigenen Empfindungen für den Hoch-Lord waren noch wirr und unausgegoren; er wußte sie nicht in vorgefertigte Kategorien einzuordnen. Sie war der Lord, der ihn gelehrt hatte, was Sehen bedeutete. Und während er das Sehen lernte, zeigte Elena ihm das Land, zeigte es ihm mit so sanftmütigem Vergnügen, daß er seitdem immer nur an sie und das Land zugleich denken konnte, als sei sie die Summe des Landes. Als er die Gefahr begriff, in der das Land schwebte – als er nach einer Möglichkeit suchte, dem zu dienen, was er sah –, war sie es gewesen, die seinen Ideen Leben einhauchte. Sie hatte den potentiellen Wert seiner taktischen Kenntnisse erkannt und ihm Vertrauen entgegengebracht; sie verhalf seiner Stimme zu Befehlsgewalt. Dank ihr erteilte er jetzt Befehle, die große Risiken umfaßten, und führte das Kriegsheer für eine Sache, für die selbst zu sterben er sich nicht schämen würde. Covenant jedoch wirkte unempfänglich, ihr gegenüber immun. Ihn umgab eine Aura müder Bitterkeit. Sein Bart verdüsterte sein Gesicht, wie um zu bekräftigen, daß kein Jota, kein Tüpfelchen Glaube den Sinn seines Spitznamens beeinträchtigte. Er sah aus wie ein Zweifler, ein Ungläubiger. Und seine Gegenwart schien den Hoch-Lord zu erniedrigen, Elenas mit dem Land vergleichbare Schönheit zu besudeln.
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