Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
einiger Entfernung wieder, an einer Stelle zwischen dem Festungswall und der Hauptmasse des Kriegsheers. Sie lenkte Myrha durch einen engen Kreis und schwang den Stab des Gesetzes hoch über ihrem Kopf.
»Heil«, rief sie den Kriegern und den Bewohnern Schwelgensteins zu. Ihr klarer Ruf hallte von der Steilwand wider wie ein Fanfarenstoß, und sofort antworteten zahllose Stimmen in gemeinsamem mitreißendem Aufschrei.
»Heil!«
»Meine Freunde, Menschen des Landes«, rief sie der Menge zu, »die Zeit zu Taten ist da. Der Krieg ist ausgebrochen, und wir müssen uns ihm stellen. Hört mich an, ihr alle! Ich bin der Hoch-Lord, Träger von des Gesetzes Stab, dem Dienst am Lande verschworen und ergeben. Durch meinen Willen ziehen wir aus, um den Grauen Schlächter zu bekämpfen, um im Namen der Erde unsere Kräfte mit ihm zu messen. Hört mich an! Ich bin's, Elena, Tochter Lenas, die euch sagt: Fürchtet euch nicht! Seid starken Herzens und kühn im Handeln. So's in unserer Macht liegt, werden wir obsiegen.« Während sie den Stab schwang, fiel heller Sonnenschein auf sie. Ihr Haar schimmerte rings um sie wie ein Heiligenschein, und der goldbraune Ranyhyn trug sie wie ein Geschenk an den neuen weiten Tag. Für einen Moment sah sie aus wie ein Schlachtopfer, und die Furcht, sie zu verlieren, schnürte Troy so die Kehle zu, daß er zu ersticken glaubte. Aber im aufrechten, entschlossenen Klang ihrer Stimme lag nichts Opferartiges, als sie sich erneut an Schwelgensteins Einwohner wandte. »Doch mißversteht mich nicht. Die Gefahr ist riesig – die gewaltigste Bedrohung unseres Zeitalters ist heraufgezogen. Es mag sein, daß alles, was wir jemals gesehen, gehört oder empfunden haben, untergehen muß. Aber wenn wir leben wollen – wenn das Land leben soll –, müssen wir dem Verächter das Leben nehmen. Diese Aufgabe überstieg sogar die Kräfte der Alt-Lords, die uns vorausgingen. Dennoch sage ich: Seid ohne Furcht! Der Kampf, der uns bevorsteht, ist unsere allergrößte Prüfung, das Maß, das unsere Seelengröße ermessen wird. Zugleich ist er unsere Gelegenheit zur vollkommenen Ausmerzung der Schändung des Landes, die zerstört, was sie liebt. Er ist unsere Gelegenheit, aus dem harten Stein drohenden Unheils Mut, Dienst am Land und Treue zu schlagen. Wenn wir unterliegen, werden wir nicht verzweifeln. Doch ich glaube nicht, daß wir scheitern werden.«
Sie packte den Stab und stieß ihn senkrecht himmelwärts, und aus dem oberen Ende schoß eine helle Flamme.
»Hört mich an, ihr allesamt«, rief sie. »Vernehmt den Weihgesang für des Krieges Zeiten!«
Sie öffnete ihre Kehle und begann ein Lied zu singen, das wie Trommelklang wummerte.
»Freunde! Gefährten!
Stolzes Volk des Landes!
Krieg herrscht,
Blut, Weh und Töten heißt's,
gemeinsam trotzen dem Tod.
Freunde und Gefährten,
gedenkt des Friedens!
Euer Atem hauche den Friedensschwur.
Bis zum Ende von Welt und Zeit
säen wir nicht Zorn noch Verzweiflung,
kennen nicht Haß, Roheit noch Metzeln,
entweihen wir nicht den Dienst am Land.
Kämpft für Einheit, Härtung, Heilung,
Befreiung der Erde von Greueln,
für Wohlstand und Haus, Holz und Stein,
der Schönheit zarte Blume, ihren Glanz,
und Flüsse, hell und klar,
all dem gilt unser Kampf –
und wir werden nicht ruhen,
unsre Häupter nicht senken in Asche und Staub,
nicht Glaub und Herz verlieren, Hoffnung und Bein.
Wir kämpfen das Land frei von Weh und Übeln,
beweisen so unsre Treue.
Laßt kein Übermaß an Bösem Verzweiflung stiften!
Gedenkt des Friedens!
Trotzt dem Tod!
Wir sind des Landes stolze Schatzbewahrer!«
Als sie verstummte, drehte sie Myrha dem Festungsturm zu. Aus dem Stab des Gesetzes ließ sie einen großen, verzweigten Blitz an den Himmel hinaufknistern. Auf dies Zeichen hin warf Lord Loerja das Bündel in die Luft, und Lord Trevor zog kraftvoll an den Leinen des Fahnenmastes. Die stolze Kriegsfahne Schwelgensteins entfaltete sich mit einem Ruck und begann im Wind der Berge zu wehen. Es handelte sich um ein großflächiges Banner, doppelt so hoch wie die Lords, die es hißten, und von hellblauer Färbung, genauso wie das Banner des Hoch-Lords, aber durchzogen mit einem dicken schwarzen Streifen. Als die Fahne zu flattern und zu knattern anfing, brach das Kriegsheer in gewaltigen Jubel aus, in den die Menge an Schwelgensteins Steilwand sofort einstimmte. Hoch-Lord Elena ließ den Stab für einen ausgedehnten Moment lohen. Dann beendete sie die
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