Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
ein leichtes Zittern der Greisenhaftigkeit aus. »Ich bin Corimini«, sagte er, »Ältester an der Schule der Lehre. Ich spreche für alle Erkunder der Lehre, sowohl des Schwert- wie auch des Stabwissens. Die Annahme einer Gabe ehrt den Geber. Sei willkommen.«
Während er noch sprach, streckte er eine Hand aus, um Covenant beim Absteigen behilflich zu sein. Aber entweder mißverstand Covenant die Geste, oder er ging intuitiv über ihre engere Bedeutung hinaus. Statt sich von seinem Tier zu schwingen, zog er ruckartig den Ehering von seiner linken Hand und ließ ihn in Coriminis entgegengestreckte Handfläche fallen. Dem Ältesten verschlug es den Atem; ein Ausdruck des Erstaunens weitete seine Augen. Fast unverzüglich wandte er sich ab, um den Ring den anderen Lehrwarten zu zeigen. Mit gedämpftem, ehrfürchtigem Murmeln der Beschwörung, das wie leise Fetzen von Gebeten klang, drängten sie sich um Corimini, um das Weißgold anzustarren, es mit zittrigen Fingern reihum zu reichen. Doch sie betasteten es nur für kurze Zeit. Gleich darauf kehrte Corimini zurück zu Covenant. Die Augen des Ältesten waren feucht aus Gerührtheit, und seine Hand bebte, als er dem Zweifler den Ring wiedergab. »Ur-Lord«, sagte er mit merklichem Schwanken in der Stimme, »du bist uns weithin über. Viele Geschlechter werden dahinziehen müssen, bis wir diese Ehre zu begleichen vermögen. Gebiete über uns, so daß wir dir dienen dürfen.«
»Ich brauche keine Dienste«, entgegnete Covenant rundheraus. »Ich brauche eine Alternative. Findet irgendeinen Weg, um das Land ohne mich zu retten.«
»Ich verstehe deine Worte nicht vollauf«, sagte Corimini. »Alle unsere Kräfte sind auf die Bewahrung des Landes gerichtet. Wenn auch das dir dienlich sein kann, müssen wir hocherfreut sein.« Er sprach die Lords allgemein an. »Wollt ihr nun mit uns Schwelgenholz betreten? Wir haben Speisen und Erquickungen für euch vorbereitet.«
Hoch-Lord Elena gab höflich eine positive Antwort und sprang anmutig von Myrhas Rücken. Sofort stiegen auch die übrigen Reiter ab. Aus den Schatten des Baums eilte eine Gruppe von Schülern herbei und nahm sich der Rösser an. Dann führte man die Besucher durch den Ring aus Bäumen zum Mittelbaum. Inzwischen waren überall in Schwelgenholz Lichter aufgeleuchtet, und die Gesamtheit ihrer Leuchtkraft genügte, um die Trübnis von Troys Sicht aufzuhellen. Er konnte sich selbstbewußt den Lords anschließen und angetan hinauf ins Astwerk der ihm wohlvertrauten Stadt schauen. In mancher Hinsicht fühlte er sich hier mehr zu Hause als auf der Herrenhöh. In Schwelgenholz hatte er das Sehen gelernt. Und nach seinem Empfinden paßte Schwelgenholz auch besser zum Hoch-Lord. Beide waren für ihn untrennbar miteinander verbunden. Er hatte seine tiefe Freude an ihrer berechtigten Vorrangstellung, ihrer Ausstrahlung nachsichtiger Autorität, ihrer mühelosen Beschwingtheit, als sie die breite Leiter des zentralen Baumstamms erklomm. Unter ihrem Einfluß überwand er sich und sagte Covenant ein paar Worte der Ermutigung, als der Zweifler sich über die Notwendigkeit beschwerte, in den hohen Baum hinaufzuklettern.
»Du kapierst das nicht«, antwortete Covenant unbestimmt. »Ich fürchte mich vor Höhen.« In ersichtlicher krampfartiger Unsicherheit zwang er sich dazu, seine Hände auf die Sprossen der Leiter zu legen. Bannor folgte Covenant dichtauf und übernahm die Verantwortung für die Sicherheit des Ur-Lords. Bald erreichten die zwei die Höhe der ersten Äste. Troy stieg hinter ihnen mit Leichtigkeit in den Baum empor. Das glatte, starke Holz der Sprossen gab ihm das Gefühl, ein Fehlgriff sei unmöglich; es schien ihn beinahe zu heben, als erwarte Schwelgenholz ihn in freudigem Eifer. Innerhalb weniger Augenblicke befand er sich hoch im Baum und entfernte sich von der Leiter auf einen der Hauptäste der Baumstadt. Die Gestalter von Schwelgenholz hatten den Feigenbaum so wachsen lassen, daß die Oberseiten der Äste flach waren, und die waagerechte Länge des Asts, dessen Verlauf Troy folgte, war breit genug für drei oder vier Personen. Unterwegs winkte er zum Gruß Bekannten zu – vorwiegend Lehrwarten des Schwertwissens, ferner einigen Schülern, deren Familien auf der Herrenhöh lebten. Die Kolonne mit den Lords überquerte einen Kreuzungspunkt, wo mehrere Äste zusammenliefen, und setzte den Weg dahinter in die Baumkrone eines der äußeren Stämme fort. In diesem Baum hatte man eine geräumige Halle
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