Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Unwetters zu marschieren. Der unregelmäßige, wüst gepeitschte Regen, der aus den infernalischen Tiefen des Sturms auf sie herabfegte, fügte ihnen kaum irgendeinen Schaden zu, aber trotzdem litt darunter ihre Moral. Alle spürten sie die Übelmacht hinter dem Ausbruch. Troy brauchte ihnen gar nicht erst zu sagen, daß er sich nahezu mit Sicherheit gegen Schwertmark Quaan und seine Truppe richtete. Bis der Sturm sich spät am darauffolgenden Tag verflüchtigte, verlor Troy beinahe ein komplettes Fähnlein. Irgendwo inmitten der Düsternis und ihrer Furcht vor dem, was Quaan heimsuchte, gaben fast zwei Dutzend der am wenigsten zähen Krieger allen Mut auf; mitten im rutschigen Vorwärtskämpfen des Kriegsheers ließen sie sich ganz einfach in den Schlamm sacken und starben. Aber sie waren nur achtzehn. Rund sechzehntausend Männer und Frauen überstanden den Sturm und marschierten weiter. Und im Interesse der Lebenden verhärtete Streitmark Troy bezüglich der Toten sein Herz. Er ritt Mehryl, als kenne sein Mut keine Schranken, und führte seine Armee südwärts, immerzu südwärts, duldete kein Erschlaffen der fürchterlichen Marschgeschwindigkeit.
Dann mußte das Kriegsheer, drei Tage später – am Tag nach dem Vollmond –, den Schwarzen Fluß durchschwimmen. Dieser Fluß bildete die Grenze zwischen den Mittland- und den Südlandebenen. Er floß aus dem Westlandgebirge nach Nordosten und traf sich etliche Dutzend Längen weit im Innern der Mittlandebenen mit dem Mithil, mit dessen Wassern er dann gemeinsam seinen Lauf in die Richtung Andelains fortsetzte. In alten Sagen hieß es, daß der Schwarze Fluß, wenn er unter der großen Klippe mit dem Namen Spaltfelsen, der Ostseite Melenkurion Himmelswehrs, ins Freie brach, Wasser führe, das so rot sei wie Herzblut. Vom Spaltfelsen strömte der Schwarze Fluß mitten durch die Würgerkluft. Bevor er die Letzten Hügel durchquerte und sich in die Ebenen ergoß, kam er noch am Fuß des Galgenhöckers vorbei, der uralten Hinrichtungshöhe der einstigen Forstwärtel. Das Wasser, das nun die Krieger zu durchqueren hatten, war rötlich-schwarz, wie vermischt mit irgendeiner sonderbaren Ablagerung. In der gesamten Geschichte des Landes hatte sich der Schwarze Fluß auf der Strecke zwischen den Letzten Hügeln und dem Mithil immer dem Bau einer Brücke oder der Einrichtung einer Furt widersetzt; er hatte ganz einfach alles hinweggespült, das einen Überweg gestatten sollte. Den Kriegern stand keine andere Wahl offen, als zu schwimmen. Als sie ans Südufer kletterten, wirkten sie ausgemergelt, als habe der schwarze Hunger des Stroms ihnen irgendeinen wesentlichen Lebensbestandteil oder inneren Antrieb aus den Knochen gesaugt. Dennoch marschierten sie weiter. Der Streitmark befahl es ihnen, und deshalb marschierten sie auch danach weiter. Aber nun strebten sie wie heruntergekommene leere Hülsen dahin, als wehe ein sinnloser Wind sie durch die weg- und steglose Sargasso der Südlandebenen vorwärts. Bisweilen schien es, als hielte nur das vereinzelte Feuer von Troys Wille sie im Voranstolpern, am Dahinstapfen, in bitterer Bewegung. Und in den Südlandebenen erwartete sie eine neue Schwierigkeit. Das Gelände war rauher. Am südwestlichen Ende der Mittlandebenen trennte nur der breite, gebogene Streifen der Letzten Hügel die Würgerkluft von den Ebenen. Südlich vom Schwarzen Fluß wuchsen diese Hügel allerdings zu richtigen Bergen empor – einem steilen Bergrücken zerklüfteter Gipfel, dessen drei Eckpunkte im Norden der Fluß, im Osten der flaschenhalsartige Engpaß des Unheilswinkels und im Westen das Memmeneck bildeten, wo die Würgerkluft vierzig Längen südlich vom Unheilswinkel an die Südlichen Einöden grenzte. Die Marschroute des Kriegsheers führte es immer tiefer ins schroffe Vorgebirge der Bergkette. Nach zweitägigem Ringen mit diesem vorgebirgigen Hügelland sahen die Krieger aus wie wiederbelebte Tote. Sie blieben nicht erheblich hinterm Marschtempo zurück, aber es war offensichtlich nur noch eine Frage der Zeit, bis sie reihenweise zusammenzubrechen begannen.
Als die Sonne von neuem sank, Troys Blickfeld sich vernebelte, traf der Streitmark eine Entscheidung. Der Zustand seiner Krieger drohte ihm das Herz zu zerreißen; er spürte, daß die Armee in einer Krise steckte. Das Kriegsheer war noch fünf Tagesmärsche weit vom Unheilswinkel entfernt, fünf schreckliche Tage. Und er wußte nicht, wo Quaan stand. Ohne ein Minimum an Erkenntnissen über die
Weitere Kostenlose Bücher