Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
ihre Ranyhyn konnten einen sicheren Weg nördlich der Sarangrave-Senke finden. Sobald diese Aufgabe getan war, kehrten wir zurück zu den fünfen, die im Leuchtturm wachten. Korik gebot zweien, mit äußerster Schnelligkeit zur Herrenhöh umzukehren, um Schwelgenstein zu warnen. Und weil er mutmaßte, der Krieg habe bereits begonnen – der Hoch-Lord sei mit dem Kriegsheer gen Süden gezogen –, erteilte er Shull, Vale und mir die Weisung, mit der Kunde in den Süden zu reiten, auf dem Wege, den ich nun gekommen bin. Mit Sill und Doar bürdete sich Korik die Verantwortung für das Stück des Weltübel-Steins auf, so daß es sicher nach Schwelgenstein zu den Lords gelange.«
Endlich schwieg der Bluthüter. Für geraume Zeit saß Troy da und starrte blicklos den Stein an, der vor ihm lag. Er fühlte sich benommen, war fassungslos – zu schockiert, um den schwachen Wind um den Kevinsblick säuseln zu hören, zu entgeistert, um die Kühle der Bergluft zu spüren. Tot? fragte er sich stumm. Alle tot? Aber ihm war, als spüre er gar nichts. Der Schmerz in ihm saß so tief, daß er ihn nicht bewußt wahrnahm.
Aber er errang seine Fassung rechtzeitig genug wieder, hob schließlich den Kopf und blickte hinüber zu Lord Mhoram. Er konnte den Lord undeutlich erkennen. Mhorams Stirn war vor Qual gestrafft, und seinen Augen entströmten Tränen. Mühsam fand Troy Worte. »War es das, was du geschaut hast?« fragte er mit aus übermächtigem Gefühl heiserer Stimme. »Vergangene Nacht? War's das?«
»Nein.« Mhorams Antwort klang barsch, aber nicht aus Ärger; sie klang heiser aus Mühe, sein Schluchzen zu unterdrücken. »Ich habe geschaut, wie Bluthüter im Dienste des Verächters fochten.«
Eine lange, beklommene Stille folgte. »Das ist unmöglich«, sagte Tull zu guter Letzt durch die Zähne.
»Sie hätten den Stein nicht anrühren dürfen«, sagte der Lord mit entkräfteter Stimme. »Sie hätten den Stein nicht ...«
Troy wollte Mhoram soeben fragen, wie er das meine, aber da bemerkte er auf einmal, daß er nun klarer sehen konnte. Sein mentaler Nebel wich. Sofort erhob er sich auf die Knie, wandte sich um und stützte seinen Oberkörper auf die Brüstung. Gewohnheitsmäßig rückte er die Schutzbrille auf seinem Gesicht zurecht. Am Rand des östlichen Horizonts hatte bereits die morgendliche Dämmerung begonnen.
18
Unheilswinkel
Unverzüglich richtete sich Troy hoch auf und drehte sich der Sonne zu. In angespanntem Schweigen erhoben sich auch seine Begleiter, als hätten sie die Absicht, mit ihm den Anblick zu teilen, der sich ihm bieten sollte. Aber er wußte, daß nicht einmal die Bluthüter über etwas verfügten, was seiner mentalen Sicht gleichkam. Er achtete nicht auf sie. Seine gesamte Aufmerksamkeit war nun auf die allmählichen Enthüllungen der Morgendämmerung gerichtet.
Zuerst konnte er nur das Weichen von Grau und purpurnes Nichts erkennen. Aber dann fielen Sonnenstrahlen direkt auf den steinernen Hochstand, und die Umgebung fing sich vom Dunst abzusetzen an. Oberhalb der fernen Tiefe und ihren Schatten empfing er seinen ersten visuellen Eindruck vom weiten, offenen Luftraum, in den der Kevinsblick aufragte wie die Spitze eines dunklen Fingers, der den Himmel anklagte. Im Westen, in einer Entfernung, die für jede andere außer seiner Art von Sehvermögen zu groß war, sah er Sonnenlicht die spitzkegligen Schneekappen der keilförmigen Bergkette berühren, die die Würgerkluft von den Südlandebenen trennte. Und während die Sonne höher stieg, erspähte er die lange, geschwungene Reihe von Gipfeln, die vom Tal mit dem Mithil Steinhausen nach Süden und dann westwärts bis zum Unheilswinkel verlief. Dann erreichte der Sonnenschein die Hügel, die zwischen dem Kevinsblick und Andelain die Ostgrenze der Ebenen bildeten. Er konnte nun den gesamten Verlauf des Mithil in den Nordwesten und danach den Norden überblicken, bis er in den Schwarzen Fluß mündete.
Er fühlte sich sonderbar erhöht und machtvoll. Noch nie hatte seine mentale Sicht ihm so viel gezeigt, und er begriff jetzt, wie Hoch-Lord Kevin zumute gewesen sein mußte. Hier fühlte man sich tatsächlich wie auf dem Gipfel der Welt.
Die Sonne stieg weiter. Wie eine Woge aus Helligkeit überflutete sie die Ebenen mit Licht, wusch den letzten Rest seiner nächtlichen Blindheit fort.
Was er dann erblickte, brachte ihn auf der Stelle ins Torkeln. Entsetzen füllte seine Augen mit der Plötzlichkeit einer Lawine. Der Anblick war
Weitere Kostenlose Bücher