Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Befleckung meines Liedes.«
Das Emporschwellen von Mhorams Hoffnung wich plötzlich einer Aufwallung von Furcht, und er wirbelte herum, wollte Streitmark Troy hindern. »Dann werde ich ihn zahlen«, sagte jedoch fieberhaft Troy, ehe er ihm eine Warnung zurufen konnte. »Ich zahle jeden Preis. Mein Heer wird abgeschlachtet.« Als er das unwiderrufliche Versprechen vernahm, zuckte Mhoram zusammen. »Nun wohl«, sang der Forsthüter betont. »Ich bin einverstanden. Bringt euer Heer achtsam zwischen die Bäume.«
Troy handelte sofort; er gab sich Schwung und sprang, um auf Mehryls Rücken zu gelangen. Irgendein Instinkt half ihm; er kam sicher und aufrecht auf den Ranyhyn zu sitzen, als könne er sehen. Unverzüglich galoppierte er hinüber zum Schlachtfeld, brüllte aus vollem Halse: »Quaan! Zurückziehen! Zurückziehen!« Während er schrie, zerfielen die Schlachtreihen des Kriegsheers ohnehin vollends. Die Krieger waren zerstreut worden, und Markschänders Geschöpfe richteten unter ihnen ein fürchterliches Blutbad an. Über zwei Drittel aller Scharen waren auf der Walstatt geblieben. Aber irgend etwas in Troys Befehl ermöglichte den Kriegern eine letzte Anstrengung. Sie stellten den Widerstand ein, machten kehrt und flohen. Ihre plötzliche Flucht schuf eine Lücke zwischen ihnen und Markschänders Heer. Sofort bewerkstelligte Lord Callindrill die Vergrößerung des Abstands. Geschützt durch einen Ring von Bluthütern, schleuderte er Flammen aus Lord-Feuer ins zerstampfte Gras, die vor den Reihen der Gegner flackerten und knisterten. Die Lohen schadeten dem Feind wenig, bewirkten aber, daß die Streitkräfte des Wütrichs für einen Moment zauderten, ehe sie sich erneut auf die Krieger stürzten.
Callindrill nutzte diese Atempause, um sich den Kriegern anzuschließen. Gemeinsam liefen die Überlebenden – insgesamt kaum mehr als zehn Scharen – geradewegs auf Mhoram zu. Als er sie kommen sah, eilte Lord Mhoram dem Streitmark entgegen. Er zog Troy von Mehryls Rücken – unter dem Astwerk der Würgerkluft zu reiten, war zu gefährlich –, packte ihn am Arm und führte ihn zu den Bäumen. Die Krieger waren auf ihrer Flucht schon fast an ihren Fersen, als Mhoram und Troy die Würgerkluft betraten. Caerroil Wildholz war inzwischen verschwunden, aber sein Lied war geblieben. Es schien leise von jedem einzelnen Blatt im Walde widerzuhallen. Mhoram spürte, wie es ihn leitete, und er folgte seiner unsichtbaren Wegweisung. Hinten hörte er die Krieger ihre Erschöpfung in einem letzten Lauf in die Arme von Rettung oder Tod bis zur Neige auskosten. Dann vernahm er wie aus weiter Ferne Quaans Ruf, alle Überlebenden befänden sich nunmehr zwischen den Bäumen. Aber er blickte sich nicht um. Das Lied des Forsthüters hielt ihn im Bann. Troys Arm umklammernd, spähte er unbeirrt voraus in die Düsternis, beschritt in strammer Gangart den Pfad des unablässigen Wohlklangs. Mit Callindrill, Troy, Quaan, Amorine, drei Dutzend Bluthütern, sämtlichen Ranyhyn und etwas über viertausend Kriegern entschwand Lord Mhoram zeitweilig aus der Welt der Menschen. Allmählich verwandelten die Klänge seinen Bewußtseinszustand, versenkten ihn in eine Art von Trance. Unvermindert war er sich aller Vorgänge bewußt, aber nichts berührte ihn noch. An den Veränderungen in der Trübnis der Würgerkluft erkannte er das Nahen des Abends, aber es mangelte ihm an einer Zeitwahrnehmung. Von Lichtungen zwischen den Bäumen aus konnte er das Westlandgebirge erspähen. Anhand des Wechsels im Standort der Gipfel vermochte er seine Schnelligkeit einzuschätzen. Es schien, als käme er rascher vorwärts als ein Ranyhyn im Galopp. Doch er empfand trotz des unbegreiflich geschwinden Vorankommens keine Überanstrengung oder Erschlaffung der Gliedmaßen. Der Hauch des Liedes trug ihn mit, als atme die Würgerkluft ihn und seine Gefährten ein.
Ihre Durchquerung verlief befremdlich und traumhaft, glich einer Seelenfahrt, angefüllt mit Ereignissen, die er nicht fühlte, vollzogen in einer Geschwindigkeit, die er nicht spürte.
Die Nacht brach an – der Mond war völlig dunkel –, aber Mhoram irrte nicht vom Weg ab. Etwas wie eine Andeutung von Licht im Gras, am Laub und in den Tönen wies ihm die Richtung unverkennbar, so daß er zuversichtlich ausschritt, verschont von jedem Bedürfnis nach Rast. Das Lied des Forsthüters enthob ihn seiner Sterblichkeit, umschlang ihn mit sorglosem Frieden. Irgendwann während des Nachtdunkels hörte er, wie
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