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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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sich das Lied änderte. Auf ihn übte die Veränderung keine Wirkung aus, aber er verstand ihre Bedeutung. Obwohl der Wald jeden anderen Laut verschluckte, so daß kein Aufheulen, kein Kreischen und keine Schreie seine Ohren erreichten, wußte er, daß nun Markschänders Heer der Vernichtung anheimfiel. Das Lied beschrieb Zeitalter voll von abwartendem Haß, voller Trauer über weite Mengen verlorener Artgenossen, Zeiten gedämpften Grolls, der durch die Säfte des Holzes emporstieg, bis jeder Zweig und jedes Blatt ihn teilten, ihn von neuem belebten, sich nach Taten sehnten. Und durch diese melodische Erzählung drang Geflüster des Todes, während Wurzeln, Äste und Stämme gemeinsam handelten, um zu zerdrücken und zu zermalmen. Gegen den gewaltig ausgedehnten Wald war selbst Markschänders riesiges Heer nur klein und machtlos, nicht mehr als eine jämmerliche Frechheit, hinausgerufen auf ein unüberschaubares Meer. Die Bäume fegten die Kräfte der Urbösen, die rohe Stärke der Höhlenschrate sowie die vereinte Furcht – wahnsinnig und verzweifelt – aller übrigen Wesen beiseite. Angeleitet durch Caerroil Wildholz' Lied, erdrosselten sie die Eindringlinge. Sie drückten Flammen aus, erschlugen die Bewaffneten, überwältigten jedes Aufgebot an Wissen und Macht. Dann tranken die Bäume das Blut und verzehrten die Leiber – löschten jede Spur des Feindes im Schwelgen in ihrer uralten, erlesenen Wut aus. Als das Lied wieder in sein vorheriges ruhiges Tönen überging, schienen darin grimmige Befriedigung und Sieghaftigkeit mitzuschwingen.
    Bald darauf – Mhoram glaubte jedenfalls, daß es kurze Zeit später war – erscholl über den Wipfeln ein Grollen wie von Donner. Zunächst meinte er, daß er Markschänders Todeskampf höre. Doch dann ersah er, daß das Dröhnen einer gänzlich anderen Quelle entsprang. Weit voraus, westwärts, war in den Bergen irgendeine entsetzliche Gewalt entfesselt worden. Aus einem Teil der Bergkette schossen rote Stichflammen. Nach jedem solchen Ausbruch rollte eine Erschütterung über die Würgerkluft dahin, und greller Auswurf hellte den Nachthimmel auf. Doch Mhoram blieb gleichmütig. Er beobachtete das Geschehen mit Interesse, aber das Lied schirmte ihn mit seinem Zauber ab und ersparte ihm jegliche Besorgnis. Er verspürte auch keinen Anlaß zur Sorge, als er merkte, daß das Kriegsheer sich nicht länger hinter ihm befand; nur Lord Callindrill, Troy, Amorine, Schwertmark Quaan sowie zwei Bluthüter – Terrel und Morril – folgten ihm nach. Dennoch fühlte er sich nicht beunruhigt; das Lied begütigte ihn mit Friedfertigkeit und Vertrauen. Es leitete ihn immer weiter durch die unermeßliche Nacht und bis hinein in die Dämmerung eines neuen Tages.
    Mit der Wiederkehr des Lichts bemerkte er, daß er ein Waldstück durchquerte, das üppig von purpurnen und weißen Orchideen strotzte. Ihre sanften, klaren Farben entsprachen der Musik, als seien sie deren Noten, nach denen Caerroil Wildholz zu singen pflege. Sie schmiegten Mhoram noch enger in den Trost der Wohlklänge. Mit unbewußtem, breitem Lächeln eilte er des Weges, als wären die Schwingungen, die ihn trugen, ein Mittel wider all seine Pein. Seine sonderbare Schnelligkeit war nun, im Tageslicht, noch offenkundiger. Durch Lücken im Blätterdach konnte er bereits die paarweisen Kegelspitzen von Melenkurion Himmelswehr sehen, der höchsten Gipfel des Westlandgebirges. Er vermochte den hohen, steilen Spaltfelsen-Tafelberg zu erkennen, während das Wüten sich fortsetzte, das darin stattfand. Erschütterungen und dumpfes Krachen hallten aus den Tiefen des Berges, und in unregelmäßigen Abständen barsten rote Gewalten himmelwärts. Trotzdem bewahrte Mhoram seine seltsame Ruhe. Seine Geschwindigkeit, die Mitgerissenheit, seine leichtmütige Beschwingtheit erfüllten sein Herz mit stiller, froher Freude.
    Seit dem Betreten der Würgerkluft hatte er dreißig oder vierzig Längen zurückgelegt. Er fühlte sich dazu befähigt, auf ewig so weiterzustürmen.
    Aber der Tag verstrich mit der gleichen zeitlosen Flüchtigkeit wie zuvor die Nacht. Schon neigte sich die Sonne erneut ihrem Untergang zu, doch mangelte es ihm an jedem Eindruck irgendeiner Dauer, und weder Müdigkeit noch Hunger oder irgendwelche anderen körperliche Empfindungen legten von seinem Dahineilen Zeugnis ab. Dann unterzog sich das Lied nochmals einem Wandel. Langsam ließ seine Kraft nach, die Mhoram vorwärts zog. Das Ende des geschwinden Entlangschwebens

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