Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
sie ihn anzogen. Als sie das Tal der Zwei Flüsse verließen, verfluchte er sich bereits insgeheim, weil er ihre Einladung angenommen hatte. Und doch besaß sie genug Macht, um ihn ins Schwanken zu bringen. Sie verwirrte seine Emotionen und zupfte unvermutete Stränge aus deren Knäuel. Dieser Fall lag anders als mit anderen Bekanntschaften. Als Lord Mhoram ihn bat, mit dem Kriegsheer zu ziehen, hatte er eingewilligt, weil es ihm völlig an Alternativen fehlte. Er mußte unbedingt in Bewegung bleiben, auf der Suche nach irgendeinem Ausweg. Aber als er sein Einverständnis gab, den Hoch-Lord zu begleiten, stützten diesen Entschluß keine derartigen Überlegungen. Er hatte das Empfinden, daß er mit diesem Ritt versuchte, sich vorm Kernproblem seines Dilemmas zu drücken, dem Kampf gegen Lord Foul – zu drücken wie ein Feigling. Aber im Moment seiner Entscheidung war ihm der Gedanke an eine Ablehnung nicht im entferntesten gekommen. Und er ahnte, daß Elena ihn zu noch mehr treiben konnte. Hoffnungslos mußte er ihr folgen, ohne auf ein Jota der Rechtfertigung für seinen Übernamen pochen zu können, selbst wenn es ihr einfiele, den Verächter selbst zu attackieren. Ihre Schönheit, ihre körperliche Nähe, die Art und Weise, wie sie ihn behandelte, das alles verzehrte Teile seiner Panzerung, entblößte sein verletzliches Fleisch.
Während sie durch den frisch-munteren Herbst Trothgards ritten, beobachtete er sie sehr wachsam, zugleich schüchtern. Wie sie hochaufgerichtet und stolz auf dem Rücken Myrhas saß, ihres Ranyhyn, wirkte sie wie eine gekrönte Vestalin, irgendwie sowohl machtvoll wie auch zerbrechlich – als könne sie ihm bloß mit einem Blick die Knochen im Leibe brechen, doch müßte sie andererseits vom Pferd fallen, schmisse jemand nur eine Handvoll Dreck nach ihr. Sie machte ihn mutlos. Sobald Amok aus der leeren Luft erschien, befaßte sie sich mit ihm. Sie begrüßten einander und scherzten heiter wie alte Freunde, während Schwelgenholz in der Ferne zurückblieb. Amoks störrische Halsstarrigkeit hinsichtlich seines Kreises des Wissens hinderte ihn nicht daran, sich anderen Dingen mit belustigter Weitschweifigkeit zu widmen. Bald sang und schwatzte er daher, als bestünde seine einzige Aufgabe darin, den Hoch-Lord gut zu unterhalten. Covenant betrachtete die Landschaft, während Amok auf diese Weise den Morgen herumbrachte.
Das Grüppchen ritt mühelos zum Trothgarder Tiefland hinaus. Es hatte eine Richtung eingeschlagen, die um ein paar Kompaßstriche südlich von der direkten westlichen Himmelsrichtung verlief, ungefähr parallel zum Flußbett des Rill, der vom Westlandgebirge strömte. Der Westrand Trothgards, noch rund sechzig oder siebzig Längen entfernt, lag etwa tausend Meter höher als das Tal der Zwei Flüsse; der gesamte Landstrich wies eine allmähliche Steigung zu den Bergen hin auf. Der Hoch-Lord und seine Begleitung gelangten bereits in die Ansätze dieser Steigung. Covenant konnte den unbeschwerlichen Aufstieg spüren, während sie durch vom Herbst farbenprächtige Wäldchen ritten, die in Orange, Gelb, Goldbraun und Rot leuchteten wie Feuer aus Laub, über üppig grasbewachsene Hänge, wo die Narben der alten Kriege im Trümmersteingau von Heidekraut bedeckt worden waren, neues Fleisch mit so etwas wie Timotheusgras die Wunden glättete, ergrünt im Heilen. Covenant bemerkte kaum noch restliche Spuren von Trothgards Genesungsprozeß. Unter dem verhüllenden Mantel der Gewächse, von Bäumen und Gras, waren allerdings noch nicht alle Schäden aus Kevins letztem Krieg verschwunden. Von Zeit zu Zeit kamen die Reiter an zerfressenen, kahlen Stellen vorüber, die sich nach wie vor jeder Ausbesserung widersetzten, und manche Hügel wirkten eher schief, wie gebrochene und schlecht verheilte Knochen.
Aber insgesamt hatte die Arbeit der Lords ihre Wirkung getan. Trothgards Luft war würzig, vital, voller Frische. Nur wenigen Bäumen sah man noch an, daß ihre Wurzeln in einst geschändet gewesene Erde hinabreichten. Der neue Großrat der Lords hatte sich einem lohnenden Lebenszweck gewidmet.
Wegen der Greuel, die dieser Landstrich erlebt hatte, rührte Trothgard Covenants Herz. Er stellte fest, daß er ihn mochte, ihm traute. Als der Tag langsam in den Nachmittag überging, wünschte er sich gelegentlich, er bräuchte nicht weiterzuziehen. Er hätte Trothgard gern ausgiebiger durchstreift, ohne Ziel, vorzugsweise allein, und sich mit keinem Gedanken mit Kreisen des Wissens, Ringen
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