Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
den Ranyhyn ... die Ranyhyn, die jedes Jahr das Steinhausen Mithil aufgesucht haben. Ich hatte mit ihnen einen Handel ausgemacht. Ich war auf irgendeine Lösung versessen ... einen Weg, um zu verhindern, daß ich völlig um den Verstand kam. Und sie haßten mich. Sie waren genau wie das Land ... sie waren groß, machtvoll, überlegen ... ich widerte sie an.« Er schnarrte das Wort ›widerte‹, als wiederhole er seinen alten Spruch Lepra! Ausgestoßener! Unrein! »Aber sie haben sich vor mir aufgebäumt ... sicher hundert von ihnen. Sie sahen sich dazu getrieben ... also sprach ich mit ihnen einen Handel ab. Ich habe ihnen zugesagt, nicht zu reiten ... keinen von ihnen zu zwingen, mich zu tragen. Dafür ließ ich sie versprechen ... ich habe ein Mittel gesucht, um all diese Größe und Macht, diese ganze Gesundheit und Treue daran zu hindern, mich in den Wahnsinn zu stürzen. Ich ließ sie versprechen, zu kommen, falls ich sie je rufe. Und ich ließ sie versprechen, deine Mutter zu besuchen.«
»Ihre Versprechungen gelten noch.« Elena sprach wie in tiefem Stolz.
Covenant seufzte. »Das hat Reumut erzählt, ja. Aber darum geht's nicht. Verstehst du mich? Das war ein Versuch, ihr etwas zu geben, ihr eine Wiedergutmachung zuzuschanzen. Aber so was klappt nicht. Wenn man jemandem so sehr weh getan hat, kann man das nicht kurzerhand mit irgendwelchen Geschenken ausgleichen. Das ist arrogant und grausam.« Beim bitteren Nachgeschmack dessen, was er getan hatte, verzerrte sich sein Mund. »In Wirklichkeit habe ich bloß mein Gewissen zu beruhigen versucht. Aber es lief sowieso alles schief. Foul kann alles verderben. Am Ende der Suche nach dem Stab des Gesetzes standen die Dinge so mies, daß kein Handel mich hätte retten können.« Unvermittelt gingen ihm die Worte aus. Er wollte Elena sagen, daß er sie durchaus nicht beschuldigte, sie gar nicht anschuldigen konnte – doch zugleich beharrte ein Teil von ihm insgeheim auf Anschuldigungen. Dieser sein Teil hatte das Empfinden, daß Lenas Schmerz mehr Treue verdiente.
Doch allem Anschein nach begriff ihn der Hoch-Lord. Obwohl ihr verschrägter Blick ihn nicht berührte, antwortete sie auf seinen Gedanken. »Thomas Covenant, du verstehst Lena, meine Mutter, nicht zur Gänze. Ich bin eine Frau ... ein Mensch wie jeder andere. Und ich habe dich für die Suche nach dem Siebten Kreis des Wissens zu meinem Begleiter erwählt. Sicherlich enthüllt diese Wahl sowohl meiner Mutter Herz wie auch mein eigenes, denn ich bin ihre Tochter. Von Geburt an befand ich mich in ihrer Obhut, und sie hat mich gelehrt. Zweifler, sie hat mir niemals Zorn oder Bitterkeit wider dich eingeflößt.«
»Nein!« stieß Covenant im Flüsterton hervor. »Nein.« Nein! Nicht auch sie! Der Anblick von Blut trübte seine Sicht – des Blutes an Lenas Lenden. Er vermochte die Vorstellung nicht zu ertragen, daß auch sie ihm verziehen hatte, auch sie, sie! Er wandte sich ab. Elena musterte ihn; er spürte, wie ihr inneres Wesen nach ihm tastete, ihn veranlassen wollte, sich wieder umzuwenden. Aber er fühlte sich dazu außerstande. Er fürchtete die Emotionen, die sie motivierten; nicht einmal bei sich selbst nannte er sie beim Namen. Er hüllte sich in seine Decken, drehte ihr den Rücken zu, bis sie den Topf mit dem Glutgestein über Nacht zudeckte und sich ebenfalls zum Schlaf ausstreckte.
Am nächsten Morgen kreuzten kurz nach der Dämmerung Morin und Bannor wieder auf. Sie brachten Myrha und Covenants Reittier mit. Er rappelte sich auf und setzte sich mit Elena zum Frühstück zusammen, während die Bluthüter die Decken packten. Und kurze Zeit nachdem sie wieder westwärts aufgebrochen waren, zeigte sich Amok an der Seite des Hoch-Lords. Covenant war nicht in der Stimmung für irgendwelche von Amoks Unterhaltsamkeiten. Außerdem hatte er im Laufe der Nacht einen Entschluß gefaßt. Ein Risiko war dabei – die Geste, von der er sich versprach, sie könne ihm eine gewisse Integrität wiedergeben, war gefährlich. Bevor der Jugendliche mit seinen Faxen loslegen konnte, bot er alle Entschlossenheit auf, obwohl sein Herz merklich hämmerte, und fragte Amok, was er übers Weißgold wisse. »Viel und wenig, Weißgoldträger«, antwortete Amok und lachte, indem er sich verbeugte. »Man sagt, daß das Weißgold die wilde Magie wecke, die den Frieden stört. Doch wer vermag zu beschreiben, was Friede ist?«
Covenant schnitt eine finstere Miene. »Das sind bloß Wortspielereien. Ich habe dir eine
Weitere Kostenlose Bücher