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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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zu erlangen, die Eindrücke des Abgrunds aus seiner Wahrnehmung zu vertreiben.
    Ohne Warnung ergriff Bannor ihn hinterrücks, riß ihn von den Füßen und trug ihn dicht an den Rand der Felsspalte. »Rühr mich nicht an!« stotterte Covenant. Er versuchte heftig, sich zu befreien, aber Bannors Zugriff war zu stark. »Beim Satan! Ich ...?« Seine Stimme gellte zu einem Schrei empor, als Bannor ihn über die Kante hinunterwarf. Morin fing ihn gewandt auf und stellte ihn – er schlotterte, die Augen weit aufgerissen – an Elenas Seite aufs Felssims. Im nächsten Moment sprang auch Bannor, und der Blutmark schlängelte sich an Covenant und Elena vorbei, um sich zwischen den Hoch-Lord und Amok zu bringen. Covenant beobachtete die Maßnahmen durch einen Nebel der Benommenheit. Wie gelähmt preßte er seinen Rücken an den festen Stein und starrte in den Abgrund wie in ein Grab. Ein Weilchen verstrich, bis er die Berührung des Hoch-Lords, die ihn besänftigen sollte, an seinem Arm spürte. »Rühr mich nicht an«, wiederholte er gedankenlos. »Rühr mich nicht an!«
    Als sie sich entfernte, schloß er sich unwillkürlich an, kehrte dem Sonnenschein und dem offenen Himmel überm Spaltfelsen den Rücken.
    Er ließ seine Schulter am Felswall entlangstreifen und blieb unmittelbar hinter Elena, ihrem Licht nah. Die Leuchtkraft des Stabs legte eine grünliche Aura um den Hoch-Lord und seine Begleitung und spiegelte sich gräulich in den trüben, flachen Facetten des Gesteins. Sie erhellte Amoks Weg, ohne die Finsternis, die vor ihnen lag, zu durchdringen. Das Gesims – nirgends mehr als einen Meter breit – führte in unregelmäßiger Neigung abwärts. Oben erweiterte sich die steinerne Decke unterm Spaltfelsen allmählich und nahm die Dimensionen einer Höhle an. Und die Spalte selbst gewann an Breite, als verliefe sie zu einem ungeheuren Loch im Innersten des Melenkurion Himmelswehr.
    Covenant empfand diesen Riß, der im Berggestein klaffte, als locke er ihn in die Tiefe, dränge ihn verführerisch, sich in schläfrige Mißachtung seiner Abgründigkeit einlullen zu lassen, der Bodenlosigkeit des Spalts zu trauen. Er preßte sich noch enger an den Stein, klammerte sich mit dem Blick an Elenas Rücken. Ringsum drückten die Dunkelheit und das gewaltige Gewicht der Felsen auf die Ränder des Helligkeitskreises, den der Stab erzeugte. Und hinter sich hörte er die hartnäckigen Geierschwingen seines persönlichen Mißgeschicks. Nach und nach begriff er, daß er einer Krise entgegenging. Unter der Erde! schimpfte er sich selbst für seine Unvorsichtigkeit bösartig aus. Er konnte nicht vergessen, wie er unterm Donnerberg in eine Spalte gefallen war; das Erlebnis hatte ihn mit dem Mißlingen seines alten Handels konfrontiert, seines Kompromisses mit den Ranyhyn. Hölle und Verdammung! Er hatte das Gefühl, nichts getan zu haben, um sich auf eine Prüfung in einer Höhlenwelt vorzubereiten. Vor ihm folgte der Hoch-Lord Morin und Amok. Alle anderen glichen sich den Schritten des Hoch-Lords an, und Elena bewegte sich so schnell, wie es auf dem schmalen Sims gefahrlos möglich war; Covenant hatte Mühe, hinter ihr zu bleiben. Ihre Flinkheit erhöhte sein Unbehagen; ihm war dadurch zumute, als reiße der Schlund beiderseits seine Kiefer auf. Furchtsam schleppte er sich das Sims entlang. Es beanspruchte seine volle Konzentration. Er verfügte über keine Hilfsmittel, um Zeit oder Entfernung zu messen – er merkte lediglich am Anwachsen seiner Furcht und Zerrüttung, daß Zeit verstrich, am Zunehmen seiner Müdigkeit –, aber gradweise veränderte sich der Charakter der Höhlendecke. Sie wölbte sich wie eine Kuppel. Nach einer Weile erhellte Elenas Feuer nur noch einen kleinen Umkreis der Felsen.
    Rundherum bevölkerten geisterhafte Schemen die Finsternis. Dann sah er die grobe Biegung des Gesteins im Lichtkreis des Stabes knotig und furchig werden, einem langsamen Stirnrunzeln der Höhle vergleichbar. Und schließlich wich das Stirnrunzeln Stalaktiten. Die oberen Luftschichten der Höhle wimmelten von verwachsenen alten Stangen und Spitzen – bedrohlichen Spießen und schiefen Nägeln, fledermausartig aufgehängten Lamien –, trägen und klumpigen Ablagerungen von innerem Schweiß des Berges. Manche dieser Speere wiesen flache Facetten auf, die den Lichtschein des Stabes brachen und zerspellt widerspiegelten, ihn wie ein Helldunkelmuster in die entlegenen Gewölbe der Höhle warfen. Andere lehnten sich herüber zum Sims, als

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