Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
strengten sie sich nachdrücklich an, um den menschlichen Störenfrieden die Schädel einzudreschen.
    Für eine gewisse Strecke verdichtete sich das Gewirr der Stalaktiten, sie hingen immer länger und gespinsthafter herunter, bis sie die gesamte Kuppel der Höhle in Beschlag nahmen. Als Covenant einmal genug Mumm aufbrachte, um über den Felsspalt zu spähen, schien er in einen blau beleuchteten, schwarzen, umgekehrten Wald zu blinzeln, einen dichten Bestand von unheimlichen, knorrigen alten Bäumen, die ihre Wurzeln in die Höhlendecke geschlagen hatten. Sie riefen den Eindruck hervor, als sei es für ihn auf dem einzigen Pfad – dem Sims – möglich, sich zu verirren. Diese Beobachtung verstärkte seine Furcht vor einem Fehltritt. Als Elena urplötzlich stehenblieb, schlang er erschrocken beinahe die Arme um sie. Im weichen Lichtschein des Stabes erkannte er vor ihr einen dicken Stalaktiten, der sich herabgekrümmt und mit dem Sims verbunden hatte.
    Der Stalaktit war an der Verbindungsstelle mit dem Stein verschmolzen, als habe eine ungeheure Kraft ihn hingerammt. Trotz seines unglaublichen Alters schien er noch von der Macht des Aufpralls zu zittern. Zwischen dem Stalaktiten und der Felswand war nur ein enger Durchlaß geblieben.
    Vor dieser schmalen Lücke wartete Amok. Er ließ seine Begleiter aufholen. »Schaut Damelons Pforte«, sagte er in fast ehrfürchtigem Ton über die Schulter, als sie unmittelbar hinter ihm standen, »den Zugang zur Macht des Gebots. Aus dieser und anderer Verursachung darf sich niemand der Macht ohne mich nahen. Das Wissen, wie man diese Pforte aufschließt, ist in keinem von Hoch-Lord Kevins Kreisen des Wissens enthalten. Und wer Damelons Pforte ohne ihre Erschließung durch mich überwindet, wird die Macht niemals finden. Verloren und ohne Ausweg wird er durch die jenseitige Wildnis für immer und ewig irren müssen. Nun vernehmt meine Worte. Sobald ich die Pforte aufgeschlossen habe, begebt euch eilends hindurch. Sie wird nur für kurze Frist offen verbleiben.«
    Elena nickte aufmerksam. Hinter ihr stützte sich Covenant mit seiner Rechten auf ihre Schulter. Ihn befiel plötzlich das andeutungsweise Empfinden, daß hier seine letzte Chance zur Umkehr war, die letzte Gelegenheit, die Entscheidungen, die ihn an diesen Ort gebracht hatten, zu widerrufen oder rückgängig zu machen. Aber die Chance – falls es sie tatsächlich gab – verflog im Handumdrehen. Amok trat dicht an die ›Pforte‹.
    Mit bedächtiger Ernsthaftigkeit hob der Jugendliche die rechte Hand und deutete mit dem Zeigefinger in die Lücke. Stumm streckte er seinen Zeigefinger in Brusthöhe geradeaus. Ein feines, fast zartes Netzwerk von gelber Farbe begann in der Luft zu entstehen. Angefangen bei Amoks Fingerspitze, breitete das gespinstartige Netz sich innerhalb der Lücke aus. Wie ein Schleier, der seine Sichtbarkeit erst langsam herausschälte, dehnte es sich, bis es die ›Pforte‹ ganz ausfüllte.
    »Kommt!« forderte Amok sie auf und trat sorglos durch das gelbe Gewebe. Die delikaten Stränge aus Licht rissen dabei nicht. Vielmehr verschwand er, als er sie berührte. Covenant konnte hinter der ›Pforte‹ auf dem Sims keine Spur von ihm entdecken. Morin folgte Amok. Auch er verschwand, als er mit dem gelben Netzwerk in Kontakt kam.
    Dann trat der Hoch-Lord vor. Covenant blieb klettenhaft hinter Elena. Er behielt ihre Schulter fest im Griff; er fürchtete sich davor, von ihr getrennt zu werden. Kühn betrat sie die Lücke. Er hielt sich an ihr fest und folgte unverzüglich. Als er das Glitzern des Netzwerks berührte, zuckte er zusammen, aber er spürte keinen Schmerz. Für einen Augenblick kribbelte seine Haut, als liefen Ameisen darüber, als er die Lücke durchquerte. Er bemerkte, wie Bannor dichtauf folgte. Er geriet in eine etwas andere Umgebung als erwartet.
    Während er sich umblickte, erlosch das Netz und verschwand. Aber die Flamme am Stab des Gesetzes brannte weiter. Auf der anderen Seite der Lücke – die er soeben verlassen hatte – sah er unverändert das Sims, den Abgrund und die Stalaktiten. Doch auf dieser Seite von Damelons Pforte existierte kein Abgrund. Statt dessen erstreckte sich hier nach allen Richtungen ein steinerner Fußboden, auf dem Stalagmiten wie eine mißratene Kolonnade standen, und über den freien Zwischenräumen sah man eine gesprenkelte Decke gewölbt. Atemlose Stille erfüllte die Luft; ein Moment verstrich, ehe Covenant merkte, daß man das dumpfe, hintergründige

Weitere Kostenlose Bücher