Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
sich rings um eine zentrale Säule in den Abgrund hinabwand. Hundert oder mehr Meter tiefer leuchtete auf dem Grund des Schlundes ein feuriges Rot. Covenant war, als spähe er hinunter in ein Inferno.
Da fiel ihm ein, wo er derartiges Licht schon einmal gesehen hatte. Das war Steinlicht – Helligkeitsschein, der aus Stein drang –, so wie die Höhlenschrate unterm Donnerberg es benutzten.
Der Abstieg bedeutete für ihn nichts anderes als ein fürchterliches Schwindelgefühl. Nachdem er die Mittelsäule der Treppe dreimal umrundet hatte, schien sich alles um seinen Kopf zu drehen.
Nur Elenas unverwüstliches Licht und seine hochgradige Konzentration, die er beim Hinabsteigen über die unregelmäßigen Stufen aufbot, verhüteten überhaupt, daß er kopfüber abstürzte. Aber er stak voller grimmiger Entschlossenheit, weder Elena noch Bannor um Hilfe zu bitten. Er durfte sich nicht noch mehr Schuldigkeiten aufhalsen; mit so etwas könnte er seinen Handel annullieren, sich einseitig zum Schuldner machen. Nein! zeterte er innerlich, während er die Stufen hinabkroch. Nein. Nicht noch mehr. Ich darf nicht so hilflos sein. Ich muß etwas für den Handel aufsparen. In Bewegung bleiben. »Rühr mich nicht an«, hörte er sich wie aus großer Entfernung röcheln. »Rühr mich nicht an!«
Eine Aufwallung von Übelkeit schüttelte ihn. Seine Muskeln krampften sich wie zur Vorbereitung auf einen Sturz zusammen. Aber er drückte die Arme um seinen Brustkorb und heftete den Blick fest auf Elenas Licht, um wenigstens einen Halt zu haben. Ihre Flamme züngelte ihm voraus, wie eine Zunge, die ihm Mut zusprach. Langsam nahm ihr blauer Schein eine rötliche Schattierung an, während die Gruppe sich dem roten Glanz der Tiefe näherte.
Covenant bewältigte den Abstieg grimmig, aber wie selbstverständlich, wie eine willenlose Marionette, die über krude Stufen ihrem vorbestimmten Ende entgegenstapft. Durch eine Umdrehung nach der anderen kämpfte er sich zur Quelle des Steinlichts. Bald machte die rote Helligkeit die Flamme des Stabes überflüssig, so daß Hoch-Lord Elena sie löschte. Vor ihr eilte Amok nun immer schneller voraus, als wäre er ungeduldig, verursachten alle Umstände, die die Erfüllung seines Existenzzwecks verzögerten, ihm Mißmut. Aber Covenant bewahrte sein eigenes Tempo, ließ außer der Wendeltreppe und seiner gebieterischen Höhenfurcht nichts in sein Bewußtsein eindringen. Das unterste Stück klomm er durch eine starke Helligkeitsflut des Steinlichts so benommen hinab wie ein Schlafwandler.
Als er auf dem ebenen Boden stand, tat er ein paar steifbeinige Schritte in die Richtung zum See, dann blieb er wieder stehen, bedeckte seine Augen vorm kraftvollen, feuerroten Lichtschein und schauderte, als bebten seine Nerven am Rande zur Hysterie.
»Schau, Hoch-Lord!« krähte vorn Amok im freudigsten Jubelton. »Das ist der sonnenlose See der Erdwurzel! Der unverdorbene Saft und Nektar des Melenkurion Himmelswehr, des Vaters aller Berge! Ach, so schaut nur! Die langen Jahre meines Zweckdaseins sind nahezu vorüber.« Seine Worte hallten mit einer Reinheit durch die Hohlräume, als fänden sie Unterstützung durch Dutzende von kristallklaren Stimmen.
Covenant holte zittrig Atem und öffnete die Lider. Er stand am abgestuften Ufer eines stillen Sees, der sich voraus so weit erstreckte, wie sein Auge reichte. Sein Felsendach war hoch und im Schatten verborgen, doch den See selbst erhellte überall Steinlicht, das den umfangreichen Säulen entsprang, die im ganzen See verteilt waren wie Pfeiler – oder wie Wurzeln des Berges, die ins Wasser hinabhingen.
Diese Pfeiler oder Wurzeln ragten in regelmäßigen Abständen an den Seiten der Höhle und quer durch ihre gesamte Ausdehnung auf; in der Ferne sah man sie noch vielmals in gleichartigen Anordnungen. Ihr Steinlicht und die inbrünstige Stille überm See verliehen der ganzen Örtlichkeit trotz ihrer Übergröße eine klösterliche Atmosphäre. Erdwurzel war ein Ort, der normale Sterbliche demütigte und ihnen Ehrfurcht einflößte. Covenant fühlte sich im weihevollen und erhabenen Heiligtum der Berge wie die Verkörperung seines Sakrilegs.
Der See lag so still da – vermittelte einen solchen Eindruck von Schwere und Gewichtigkeit –, daß er mehr nach flüssiger Bronze aussah als nach Wasser, einem flüssigen Mantel für die unvorstellbaren Schlünde des Erdinnern. Das Steinlicht schimmerte auf der Oberfläche, als sei sie poliert.
»Ist das ...?« krächzte
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