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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Ausdruck von Hingerissenheit kennzeichnete ihr Gesicht, und sie wirkte irgendwie größer, durch ihren Halt am Stab des Gesetzes aufgerichtet, erhöht – als ob die Flamme des Stabes auch ein Feuer in ihrem Innern nähre, das Lodern einer Vision des Sieges. Sie sah aus wie eine Hohepriesterin, eine Vollzieherin heiliger, wirkungsvoller Riten, die sich der okkulten Stätte ihrer Kräfte nahte. Sogar die Breschen der Abseitsgerichtetheit ihres Blicks waren dichtgedrängt gefüllt mit erregenden, unbezähmten Möglichkeiten. Bei ihrem Anblick vergaß Covenant die unbehagliche Kraftgeladenheit der Luft, die Tränen, die aus seinen Augen rannen, als weine er, und taumelte vorwärts, um sie zu warnen. Sofort verloren seine Füße ihren festen Stand, und er konnte nur mit knapper Not einen üblen Sturz vermeiden. Bevor er dazu imstande war, seinen Versuch zu wiederholen, hörte er wieder Amoks Stimme. »Komm, Hoch-Lord! Das Ende ist nah.« Die Stimme des Jungen klang nun so geisterhaft wie eine Beschwörung von Toten. In Beantwortung seines Forderns schritt Hoch-Lord Elena den Tunnel hinunter. Hastig starrte Covenant rundum. Er griff nach Bannors Arm, als wolle er Halt sie zurück! schreien. Siehst du denn nicht, was sie anrichten wird?! Aber er brachte keinen Laut hervor. Er war einen Handel eingegangen. Statt dessen stieß er sich von Bannor ab und bemühte sich, Elena eilig zu folgen.
    Doch seine Füße fanden keinen rechten Halt auf dem Boden. Seine Stiefel glitten auf dem Stein ständig aus; es schien, als habe er den Gleichgewichtssinn verloren. Dennoch stakste er grimmig weiter. Mit einer gewaltigen Aufbietung von Willenskraft entkrampfte er seine Gliedmaßen, setzte seine Schritte weniger unüberlegt, stapfte weniger gewalttätig dahin. Im Ergebnis seiner Anstrengungen gewann er eine gewisse Kontrolle über seine Bewegungen zurück, so daß es ihm endlich gelang, mit dem Hoch-Lord Schritt zu halten.
    Einzuholen vermochte er Elena jedoch nicht. Und er konnte nicht erkennen, wohin sie überhaupt ging; seine eigenen Schritte verlangten ihm zuviel Konzentration ab. Er blickte nicht wieder auf, bis der zudringliche Geruch eine Stärke annahm, die ihn fast noch einmal auf die Knie warf. Ein derartiger Schwall von Tränen lief ihm aus den Augen, daß sein Blickfeld im wahrsten Sinne des Wortes aussichtslos verschwamm, seiner Sicht jede Klarheit abhanden kam. Aber der Geruch zeigte ihm immerhin an, daß sie die Quelle des roten Rinnsals erreicht hatten.
    Durch seine Tränen konnte er Elenas Flamme flackern sehen. Er wischte sich das Wasser aus den Augen, verschaffte sich einen buchstäblichen Augenblick ungetrübter Sicht, in dem er seine Umwelt begutachtete. Er stand am Ende des Tunnels hinter Elena in einer noch weiträumigeren Höhle. Vor ihnen, an die jenseitige Wand aus schwarzem Fels gefügt wie der auskragende Teil einer Gesteinsader, befand sich eine rauhe, geneigte Fläche feuchten Steins. Diese gesamte Fläche schimmerte; ihre Ausstrahlungen verzerrten Covenants sowieso beeinträchtigtes Sehvermögen, erweckten in ihm den Eindruck, als starre er in eine Luftspiegelung, ein Wabern im soliden Gewebe der Existenz. Sie lag vor ihm wie eine poröse Membran in den Fundamenten von Raum und Zeit. Von oben bis unten schwitzte sie Nässe aus, die ihre Schräge hinabsickerte, sich davor in einer groben Mulde sammelte und schließlich durch die Mitte des Tunnels davonrann.
    »Schaut!« sagte Amok in ruhigem Tonfall. »Schaut das Blut der Erde! Hier erfülle ich den Zweck meiner Erschaffung. Ich bin der Siebte Kreis des Wissens von Hoch-Lord Kevins Lehre. Die Macht, zu welcher ich der Weg und das Tor bin, ist hier.« Während er redete, klang seine Stimme merklich immer tiefer und hohler, spürbar älter. Die übermächtige Last seiner Jahre beugte seine Schultern. Als er weitersprach, geschah es allem Anschein nach in der Erkenntnis, daß Eile geboten war, als sei es notwendig, alles auszusprechen, was gesagt werden mußte, bevor er seiner bisherigen Immunität gegen den Ablauf der Zeit verlustig ging. »Gib acht, Hoch-Lord! Die Luft dieser Örtlichkeit erlöst mich. Ich muß meinen Zweck nun erfüllen.«
    »Dann sprich, Amok!« gab Elena zur Antwort. »Ich vernehme deine Worte.«
    »Ach, du vernimmst sie, ja«, meinte Amok in traurigem, versonnenem Ton, als habe ihre Antwort ihn plötzlich zutiefst nachdenklich gemacht. »Doch wo ist der Nutzen des Hörens, wenn's ohne Weisheit geschieht?« Dann riß er sich zusammen.

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