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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Beistand, den er Atiaran erweisen konnte ... oder meiner Mutter.«
    Durch den Schmerz seiner Erinnerungen hätte Covenant gerne zum Einwand erhoben, daß Trell mit seinen breiten Schultern und seinen seltsamen Kräften nichts über die wahre Natur der Hilflosigkeit wissen dürfte. Aber die Ergriffenheit in Elenas Stimme, als sie ›meiner Mutter‹ sagte, erstickte seine Äußerung. Er verharrte völlig reglos, so gebeugt, als müsse er gleich zusammenbrechen, und wartete darauf, daß die letzte unaussprechliche Schwärze sich über ihn senke.
    »So wirst du nun verstehen, wie's kam, daß ich als Kind einen Ranyhyn ritt. In jedem Jahr besuchte zum letzten Vollmond der Frühlingsmitte ein Ranyhyn das Steinhausen Mithil. Meine Mutter ersah sofort, daß das dein Geschenk war, und sie teilte es mit mir. Nur allzu leicht fiel's ihr, zu vergessen, daß du ihr weh getan hattest. Habe ich dir nicht gesagt, daß ich ebenfalls jung bin? Ich bin Elena, Tochter Lenas, der Tochter Atiarans, Trells Gemahlin. Meine Mutter wohnt im Steinhausen Mithil, weil sie im Glauben verharrt, daß du eines Tages zu ihr zurückkehrst.«
    Für einen Moment stand er noch still da und starrte das in die Schultern ihres Kleides gewebte Muster an. Dann walzte eine Flut von Enthüllungen über ihn hinweg, und er begriff alles. Er torkelte, sackte auf einen Steinsessel, als sei plötzlich sein Rückgrat entzwei. Sein Magen drohte sich umzudrehen, und er rang röchelnd um Atem und würgte, als wolle er die Leere seines Innern erbrechen. »Es tut mir leid.« Er stieß den Satz zwischen den Zähnen hervor, als habe Zerknirschung ihn mit roher Faust seiner Brust entrissen. Die Äußerung war so sinnlos wie eine Totgeburt, zu leblos, um auszudrücken, was er empfand. Aber er war zu nichts anderem imstande. »O Lena! Es tut mir leid.« Er wollte weinen, doch er war leprakrank und hatte vergessen, wie man weinte. »Ich war impotent.« Er entrang das Bekenntnis seiner wunden Kehle wie einen zu dicken Brocken. »Völlig abgeschlafft. Ich hatte vergessen, wie's ging. Dann waren wir allein. Und ich fühlte mich wieder wie ein Mann, obwohl ich wußte, es konnte nicht wahr sein, es war unwirklich. Ich träumte nur, ich mußte träumen, anders war so was nicht möglich. Das war zuviel für mich. Ich konnte es nicht aushalten.«
    »Sprich nicht von Schlaffheit zu mir«, antwortete Elena mit gepreßter Stimme. »Ich bin der Hoch-Lord. Ich muß den Verächter mit Pfeilen und Schwertern schlagen.« Ihr Tonfall klang jetzt schroff; er meinte andere Wörter heraushören zu können, als sage sie: ›Glaubst du, bloße Erklärungen oder Entschuldigungen genügen als Wiedergutmachung?‹ Und ohne die krankheitsbedingte Gefühllosigkeit, die ihm sonst als Rechtfertigung herhielt, sah er sich zum Widersprechen außerstande.
    »Nein«, sagte er mit zittriger Stimme. »Nichts genügt.« Mit schwerfälliger Langsamkeit hob er den Kopf und schaute sie an. Jetzt erkannte er in ihr das sechzehnjährige Kind wieder, das er gekannt hatte, ihre Mutter. Von ihr stammte die sonderbare Vertrautheit. Elena besaß das Haar ihrer Mutter, ihre Figur, und jenseits ihrer Disziplin ähnelte das Gesicht sehr dem ihrer Mutter. Und in die Schultern ihres Kleids hatte sie das gleiche Laubmuster gewebt, das ihm an Lenas Kleidung aufgefallen war – das Zeichen der Familie Atiarans und Trells. Als er ihr in die Augen blickte, sah er, daß auch sie Lenas Augen glichen. In ihnen schimmerte etwas, bei dem es sich weder um Groll noch Tadel handelte; sie schienen der Verurteilung, die er vorhin gespürt zu haben glaubte, zu widersprechen. »Was wirst du jetzt tun?« erkundigte er sich matt. »Atiaran wollte ... sie wollte, daß die Lords mich bestrafen.«
    Unerwartet verließ sie ihren Sitz und trat hinter ihn. Sanft legte sie ihre Hände auf seine krampfartig zerfurchte Stirn und begann sie zu massieren, versuchte die Knoten und Falten fortzustreicheln. »Ach, Thomas Covenant«, seufzte sie mit einem Anflug von Verlangen in ihrer Stimme. »Ich bin der Hoch-Lord. Ich trage den Stab des Gesetzes. Ich kämpfe fürs Land und werde nicht klagen, mag auch die Schönheit vergehen, mag mich der Tod ereilen, mag die Erde der Vernichtung anheimfallen. Aber in mir wohnt vieles von meiner Mutter Lena. Schau mich nicht so finster an. Ich vermag's nicht zu ertragen.«
    Ihre zärtliche, kühle, tröstliche Berührung schien seine Stirn zu verbrennen. Mhoram hatte erwähnt, sie habe in der vergangenen Nacht an seinem

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