Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
des Sees deutlich sichtbar. Covenant nahm sich zusammen und machte den Mund zu. »Ich hab' dich doch gebeten«, rief er dann hinaus zu Elena, »mir rechtzeitig Bescheid zu sagen.«
»Komm!« antwortete sie. »Sei unbesorgt. Das Wasser ist harmlos.« Er regte sich nicht. »Das ist Wasser wie jedes andere«, fügte sie hinzu, »nur kraftvoller. Es besitzt Erdkraft. Unser Fleisch ist für Glimmermere zu fadenscheinig. Er sieht uns nicht. Komm!«
Er bückte sich und steckte probeweise eine Hand ins Wasser. Seine Finger verschwanden, sobald sie unter die Oberfläche tauchten. Doch als er sie erschrocken wieder herausriß, waren sie zwar feucht, aber unversehrt, kribbelten vor Kälte. Angetrieben durch eine Anwandlung von Verblüffung und Entdeckertum, zog er Stiefel und Socken aus, rollte die Hosenbeine hoch und trat in den See. Sofort tauchte er bis über den Kopf unter. Der See war auch an den Rändern tief; die Klarheit, mit der man den Grund erkennen konnte, hatte ihn getäuscht. Aber das eiskalte, mit einem scharfen Beigeschmack versehene Wasser trieb ihn aufwärts, und gleich darauf tauchte er an der Oberfläche wieder auf. Er trat Wasser und spuckte, während er rundumspähte, bis er sah, wo Elena schwamm.
»Frühzeitig Bescheid, ha!« Trotz Glimmermeres frischer, überreichlich anregender Kühle versuchte er, seiner Stimme einen verärgerten Klang zu geben. »Ich werde dich lehren, was Bescheidsagen heißt!« Er gelangte mit wenigen schnellen Zügen zu ihr und drückte ihr den Kopf unter Wasser. Sie kam unverzüglich wieder zum Vorschein, lachte beinahe schon vorm Auftauchen. Er streckte sich nach ihr, aber sie wich aus und schob statt dessen ihn unter die Oberfläche. Er grabschte nach ihren Fußknöcheln, doch daneben. Als er hochkam, war sie außer Sicht. Er fühlte sie an seinen Füßen zerren. Er holte tief Luft, tauchte kopfüber hinab und versuchte sie zu fangen. Zum ersten Mal öffnete er unter Wasser die Augen und fand heraus, daß er ausgezeichnet sehen konnte. Elena schwamm in seiner Nähe, im Gesicht ein Grinsen. Innerhalb eines Moments erreichte er sie und umfaßte ihre Taille. Statt es mit Ausreißen zu versuchen, drehte sie sich, schlang die Arme um seinen Hals und küßte ihn auf den Mund.
Mit einem Schlag schoß alle Luft aus seinen Lungen, als habe sie ihn gegen seine geprellten Rippen getreten. Er stieß sich von ihr ab und stieg an die Oberfläche. Unter Husten und Keuchen schlug er sich mit seinen Gliedmaßen durchs Wasser zum Ufer des Sees, wo er Stiefel und Socken zurückgelassen hatte, klomm hinaus und sackte ins Gras. Seine Brust schmerzte, als hätte sie diesmal eine ernste Verletzung davongetragen, aber er wußte, daß es sich nicht so verhielt. Schon die erste Berührung mit Glimmermeres kraftvollem Wasser hatte die Prellungen behoben, sie einfach fortgewaschen; was er jetzt empfand, war nicht ihr Schmerzen. Er litt eine andere Art von Pein; mit seinem Unterwassersport schien er sich das Herz gezerrt zu haben. Er lag auf dem Gesicht im Gras und schnaufte, und nach einer Weile mäßigten sich seine Atemzüge. Er nahm wieder andere Eindrücke wahr. Der Kontakt mit dem kalten, herben Wasser hatte seinen ganzen Körper angeregt; er fühlte sich reiner als jemals während der gesamten Zeit, seit er von seiner Leprose erfahren hatte. Die Sonne schien ihm warm auf den Rücken, und seine Fingerspitzen kribbelten lebhaft. Und sein Herz tat weh, als sich Elena zu ihm ins Gras gesellte. Er fühlte ihren Blick auf sich ruhen. »Bist du in deiner Welt glücklich?« fragte sie gleich darauf.
Er nahm seine ganze Selbstbeherrschung zusammen und wälzte sich herum; sie saß unmittelbar neben ihm und betrachtete ihn mit liebevollem Blick. Dazu außerstande, diesem Verlangen zu widerstehen, ergriff er eine Strähne ihres nassen Haares und zwirbelte sie zwischen seinen Fingerkuppen. Dann hob er seinen trostlosen, verhärmten Blick in ihre Augen. Die Strenge, mit der er sich zur Gefaßtheit zwang, ließ seine Stimme unbeabsichtigt schroffklingen. »Um Glück geht's bei mir nicht. Ich denke nicht ans Glücklichsein. Ich denke ans Überleben.«
»Könntest du hier glücklich sein?«
»Das ist unfair. Was würdest du auf so eine Frage antworten?«
»Ja, was täte ich antworten?« Aber im folgenden Moment verstand sie, was er meinte, und straffte ihre Haltung. »Ich täte antworten, das Glück liegt im Dienst am Lande. Und ebenso, daß es in Kriegszeiten kein Glück geben kann.«
Er ließ sich
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