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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ihm ging - etwas mit einem knotigen Kahlkopf und roten, nässenden Schwären am Hals. Diese Kreatur schenkte ihrem gestürzten Gefährten keine Beachtung, sondern hielt den Blick ihrer trüben Augen auf Roland gerichtet und schlurfte ungefähr im Gleichschritt mit seinen verbliebenen Gefährten weiter.
    »Bleibt stehen, wo ihr seid!« sagte Roland. »Nehmt euch in acht vor mir, wenn ihr den Abend noch erleben wollt! Nehmt euch sehr in acht vor mir!«
    Er sagte es vor allem zu dem in der Mitte, der uralte rote Hosenträger über einem zerfetzten Hemd trug und einen schmutzigen Bowler aufhatte. Dieser Herr hatte nur ein gutes Auge und betrachtete Roland mit einer Gier, die ebenso grauenerregend wie unmißverständlich war. Die Gestalt neben Bowler (Roland dachte, daß dies eine Frau sein könnte, mit verkümmerten Hängebrüsten unter der Jacke) warf das Stuhlbein, das sie in der Hand hielt. Die Richtung stimmte, aber der Wurf war zehn Meter zu kurz.
    Roland spannte den Hahn seines Revolvers und feuerte. Diesmal prasselte der Sand, den das Geschoß aufgewirbelt hatte, auf die zerfetzten Überreste der Schuhe von Bowler statt auf die Pfote eines lahmen Hundes.
    Das grüne Volk nahm nicht Reißaus, wie der Hund, aber sie blieben stehen und sahen Roland mit ihrer dumpfen Gier an. Waren die verschwundenen Bewohner von Eluria in den Mägen dieser Kreaturen gelandet? Roland konnte es nicht glauben . . . obgleich er sehr wohl wußte, daß solche wie sie keinerlei Skrupel vor Kannibalismus hatten. (Und vielleicht war es gar nicht wirklich Kannibalismus; wie konnte man derartige Wesen als Menschen betrachten, was auch immer sie einmal gewesen sein mochten?) Sie waren zu langsam, zu dumm. Wenn sie es gewagt hätten, in die Stadt zurückzukehren, nachdem der Sheriff sie verjagt hatte, wären sie verbrannt oder zu Tode gesteinigt worden.
    Ohne darüber nachzudenken, was er tat, steckte Roland das Medaillon, das er dem toten Jungen abgenommen hatte, und die Kette in die Tasche seiner Jeans, weil er seine andere Hand frei haben wollte, um den zweiten Revolver zu ziehen, falls die Erscheinungen nicht zur Vernunft kamen.
    Sie standen da und starrten ihn an, während ihre seltsam verzerrten Schatten sich hinter ihnen auf dem Boden abzeichneten. Was nun? Sollte er ihnen sagen, daß sie dorthin zurückkehren sollten, woher sie gekommen waren? Roland wußte nicht, ob sie das tun würden, und er hatte ohnehin beschlossen, daß er sie lieber irgendwo hatte, wo er sie sehen konnte. Wenigstens hatte sich die Frage, ob er hier bleiben und den Jungen namens James begraben sollte, erledigt; dieses Rätsel war gelöst worden.
    »Keine Bewegung«, sagte er in der Niedersprache und begann seinen Rückzug. »Der erste, der sich bewegt -«
    Bevor er zu Ende sprechen konnte, machte einer von ihnen - ein Troll mit tonnenförmiger Brust und dem Schmollmund einer Kröte, der offenbar Kiemen auf beiden Seiten seiner Halswülste hatte - einen Sprung vorwärts und schnatterte mit einer schrillen und seltsam kraftlosen Stimme. Es hätte sich um eine Form von Gelächter handeln können. Er schwang etwas, das wie das Bein eines Klaviers aussah.
    Roland schoß. Die Brust von Mr. Kröte stürzte ein wie ein baufälliges Dach. Er taumelte mehrere Schritte rückwärts, versuchte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen, und griff sich mit der freien Hand an die Brust. Er stolperte über seine eigenen Füße, die in schmutzigen roten Samtslippern mit aufwärtsgekrümmten Spitzen steckten, fiel hin und gab ein eigentümliches und irgendwie einsames Röcheln von sich. Er ließ seine Keule los, rollte sich auf die Seite, versuchte aufzustehen und sackte in den Staub zurück. Die grelle Sonne schien ihm in die offenen Augen, und vor Roland stiegen weiße Rauchwölkchen von seiner Haut empor, die ihren grünen Farbton rasch verlor. Außerdem war ein Zischen zu hören, als hätte jemand auf eine heiße Herdplatte gespuckt.
    Spart wenigstens eine Erklärung, dachte Roland und ließ den Blick über die anderen schweifen. »Na gut; er war der erste, der sich bewegt hat. Wer möchte der zweite sein?«
    Offenbar keiner. Sie standen nur da, beobachteten ihn, kamen nicht näher . . . wichen aber auch nicht zurück. Er dachte (wie bei dem Kruzifix-Hund), daß er sie töten sollte, wie sie da standen, daß er einfach seinen zweiten Revolver ziehen und sie niedermähen sollte. Es wäre eine Frage von Sekunden und mit seinen geübten Händen ein Kinderspiel, selbst wenn einige

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