Der siebte Schrein
Huukaminaan verehrt. Sie haben ihn als Hüter ihrer Vergangenheit betrachtet - fast als Heiligen. Es ist unvorstellbar, daß einer von ihnen ein derart grauenhaftes und gemeines Verbrechen begangen haben könnte. Unvorstellbar!«
»Vor zwanzigtausend Jahren«, sagte Herzog Nascimonte und schaute auf, als würde er nur zur Atmosphäre sprechen, »ließ der König der Gestaltwandler an genau diesem Ort, wie Ihr uns vorhin selbst noch einmal in Erinnerung gerufen haben, zwei riesige Meeresdrachen auf den gigantischen Steinplattformen dort hinten bei lebendigem Leibe abschlachten. Aus Euren Worten ging deutlich hervor, daß die Gestaltwandler jener Zeit die Meeresdrachen mit noch größerer Ehrerbietung behandelten als Eure Arbeiter angeblich Dr. Huukaminaan. Sie nannten sie ›Wasserkönige‹ - ist es nicht so? -, gaben ihnen Namen, betrachteten sie als heilige ältere Brüder und sprachen Gebete zu ihnen. Und dennoch fand hier in Velalisier das blutige Opfer statt, ein Ereignis, das die Gestaltwandler bis auf den heutigen Tag als Schandtat bezeichnen. Ist das nicht so? Dann gestattet mir die Bemerkung: Wenn der König der Gestaltwandler damals zu so etwas fähig gewesen ist, wäre es da so unvorstellbar, daß einer Eurer angeheuerten Metamorphen letzte Woche einen Grund gefunden haben könnte, auf demselben Altar eine ähnlich grausame Tat an dem unglücklichen Dr. Huukaminaan zu begehen?«
Magadone Sambisa schien fassungslos zu sein, als hätte Nascimonte ihr ins Gesicht geschlagen. Einen Augenblick war sie zu keiner Antwort fähig. Dann sagte sie heiser: »Wie können Sie einen uralten Mythos, eine phantastische Legende, dazu benutzen, den Verdacht auf eine Gruppe harmloser, unschuldiger . . .«
»Aha, demnach ist es ein Mythos und eine Legende, wenn Ihr Eure harmlosen und unschuldigen Gräber und Träger beschützen wollt, aber eine verbürgte historische Tatsache, wenn wir vor Entzücken über diese Haufen alter, verfallener Steine erschauern sollen?«
»Bitte«, sagte Valentine und sah Nascimonte finster an. »Bitte.« Zu Magadone Sambisa sagte er: »Um welche Tageszeit geschah der Mord?«
»Spät in der Nacht. Es muß nach Mitternacht gewesen sein.«
»Ich war der letzte, der Dr. Huukaminaan gesehen hat«, sagte einer der Metamorphenarchäologen, ein zierlicher Piurivar, dessen Haut einen eleganten Saphirton hatte. Vo-Siimifon war sein Name; Magadone Sambisa hatte ihn als Experten für die alte Schrift der Piurivar vorgestellt. »Wir saßen bis spät nachts in unserem Zelt, er und ich, und unterhielten uns über eine Inschrift, die am Tag zuvor gefunden worden war. Die Schriftzeichen waren außerordentlich klein; Dr. Huukaminaan klagte über Kopfschmerzen und sagte schließlich, daß er einen Spaziergang machen würde. Ich ging schlafen. - Dr. Huukaminaan kehrte nicht zurück.«
»Es ist ein langer Weg von hier bis zu den Opferplattformen«, stellte Mirigant fest. »Ein ziemlich langer Weg. Ich schätze, zu Fuß braucht man mindestens eine halbe Stunde dorthin. Jemand in seinem Alter wahrscheinlich länger. Soweit ich weiß, war er ein alter Mann.«
»Aber wenn ihm jemand gleich außerhalb des Lagers begegnet wäre«, schlug Tunigorn vor, »und ihn gezwungen hätte, den ganzen Weg bis zu den Plattformen zu gehen . . .«
Valentine sagte: »Wird nachts ein Wachtposten im Lager aufgestellt?«
»Nein. Es schien nicht erforderlich zu sein.«
»Und die Grabungsstätte selbst? Sie ist nicht eingezäunt oder sonst irgendwie geschützt?«
»Nein.«
»Dann hätte jeder im Schutz der Dunkelheit das Dorf der Tagelöhner verlassen können«, sagte Valentine, »und dort draußen auf der Straße warten, bis Dr. Huukaminaan auftaucht.« Er sah zu Vo-Siimifon. »Gehörte es zu Dr. Huukaminaans Gewohnheiten, vor dem Zubettgehen einen Spaziergang zu machen?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Und wenn er aus irgendeinem Grund beschlossen hätte, spät in der Nacht hinauszugehen, wäre es wahrscheinlich gewesen, daß er einen so langen Spaziergang macht?«
»Er war ein kräftiger Mann für sein Alter«, sagte der Piurivar. »Aber dennoch wäre es eine ungewöhnlich weite Strecke für einen Spaziergang vor dem Schlafengehen gewesen.«
»Ja. Das denke ich auch.« Valentine wandte sich wieder an Magadone Sambisa. »Ich fürchte, es wird sich nicht vermeiden lassen, daß wir Eure Arbeiter verhören. Und jedes Mitglied Eurer Expedition. Ihr versteht hoffentlich, daß wir in diesem Stadium nicht willkürlich jemanden
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