Der siebte Schrein
ausklammern können.«
Ihre Augen blitzten. »Stehe ich auch unter Verdacht, Euer Majestät?«
»Im Augenblick«, sagte Valentine, »steht niemand hier unter Verdacht. Und jeder. Es sei denn, Ihr wollt mich glauben machen, daß Dr. Huukaminaan Selbstmord begangen hat, indem er sich selbst zerstückelte und seine Einzelteile über die gesamte Plattform verteilte.«
Die Nacht war kühl gewesen, aber die Sonne stieg unglaublich schnell am Morgenhimmel empor. Obwohl es noch so früh war, war die Wüstenhitze bereits in der Luft spürbar. Es war nötig, an der Ausgrabungsstätte schnell mit der Arbeit zu beginnen, hatte Magadone Sambisa ihnen gesagt, weil die gewaltige Hitze um die Mittagszeit die Arbeit sehr schwer machte.
Valentine war bereit, als sie ihn kurz nach der Dämmerung rief. Auf ihre Bitte hin würden ihn nur einige Mitglieder seiner Leibwache begleiten, keiner der anderen Lords. Tunigorn beschwerte sich darüber, Mirigant ebenso. Aber sie sagte - und darin gab sie nicht nach -, sie ziehe es vor, wenn der Pontifex heute allein mit ihr komme und wenn er gesehen habe, was sie ihm zeigen müsse, könne er selbst entscheiden, ob er die Informationen auch den anderen zugänglich machen wolle.
Sie führte ihn zur Siebten Pyramide. Besser gesagt, zu dem, was davon übrig war, denn abgesehen vom verfallenen Fundament, einem quadratischen, auf jeder Seite rund sechs Meter langen und anderthalb bis zwei Meter hohen Gebilde aus dem rötlichen Basalt, aus dem auch die große Arena und einige andere öffentliche Gebäude bestanden, war nichts erhalten geblieben. Östlich dieses Stumpfs lagen die Trümmer des oberen Teils der Pyramide, kleine Gesteinsbrocken aus demselben rötlichen Material, fast willkürlich über ein weites Gebiet verstreut. Es war, als hätte ein wütender Koloß der westlichen Seite der Pyramide einen verächtlichen Schlag mit dem Rücken seiner mächtigen Hand verpaßt, so daß sie in tausend Stücke zerschellte. Auf der den Trümmern abgewandten Seite des Stumpfs konnte Valentine rund hundertfünfzig Meter entfernt die Spitze der unversehrten Sechsten Pyramide sehen, die über einem Wäldchen mit kleinen verkrüppelten Bäumen aufragte, und dahinter waren die anderen fünf, eine nach der anderen, bis zum königlichen Palast selbst.
»Den Sagen der Piurivar zufolge«, sagte Magadone Sambisa, »hielten die Bewohner von Velalisier alle tausend Jahre ein großes Fest ab und bauten zum Gedenken an jedes einzelne eine Pyramide. Soweit wir durch Untersuchungen und Altersbestimmungen der sechs unbeschädigten feststellen konnten, ist das korrekt. Diese, das wissen wir, war die letzte der Reihe. Wenn wir den Legenden Glauben schenken dürfen« - hier warf sie Valentine einen vielsagenden Blick zu -, »wurde sie zum Andenken an das Fest erbaut, an dem die Schandtat stattfand. Und sie war gerade fertiggestellt worden, als die Stadt von den Horden gestürmt und zerstört wurde, die gekommen waren, um ihre Bewohner für das, was sie getan hatten, zu bestrafen.«
Sie winkte ihm und führte ihn zur Nordseite der eingestürzten Pyramide. Sie entfernten sich rund fünfzig Schritte von dem Stumpf. Dann blieb sie stehen. Hier war der Boden sorgfältig ausgehoben worden. Valentine sah eine rechteckige Öffnung, die gerade groß genug war, daß ein Mensch eintreten konnte, und den Anfang eines Gangs, der unterirdisch zum Fundament der Pyramide zurückführte.
Eine sternförmige Markierung aus leuchtendgelbem Klebeband war auf einem stattlichen Felsbrocken links von der Ausgrabung angebracht worden.
»Dort habt Ihr den Kopf gefunden, nicht wahr?« fragte Valentine.
»Nicht hier. Unten.« Sie zeigte in die Öffnung. »Würdet Ihr mir folgen, Euer Majestät?«
Sechs Mitglieder von Valentines Sicherheitstruppe waren heute morgen mit ihm zu den Pyramiden gekommen: Lisamon Hultin, die hünenhafte Kriegerin, die ihn seit seiner Zeit als Jongleur auf allen seinen Reisen als persönliche Leibwächterin begleitet hatte, zwei zottelige, gedrungene Skandars, zwei Pontifikalbeamte, die er aus dem Stab seines Vorgängers geerbt hatte, und sogar ein Metamorph, ein gewisser Aarisiim, der in den letzten Stunden des Aufstands von dem Erzrebellen Faraataa desertiert, zu Valentines Truppe übergelaufen war und seitdem in den Diensten des Pontifex stand. Alle sechs traten nun vor, als hätten sie die Absicht, mit ihm in die Ausgrabungsstätte hinabzusteigen, obwohl die Skandars und Lisamon Hultin eindeutig zu groß waren,
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