Der siebte Schrein
daß sie durch den Eingang gepaßt hätten. Aber Magadone Sambisa schüttelte heftig den Kopf, und Valentine lächelte und gab allen ein Zeichen, daß sie oben auf ihn warten sollten.
Die Archäologin zündete eine Handfackel an und stieg in die Öffnung im Boden. Der Abstieg war steil und erfolgte über eine Reihe exakt gemeißelter Stufen, die zweieinhalb bis drei Meter nach unten führten. Dann wurde der unterirdische Gang unvermittelt breiter. Hier gab es einen ebenen Boden mit breiten Steinplatten aus einem glänzenden grünen Stein. Magadone Sambisa leuchtete einen mit der Fackel an, und Valentine sah, daß er geschnitzte Hieroglyphen trug, irgendwelche Runen, die an die Schriftzeichen auf dem Pflaster der großen Prachtstraße erinnerten, die am königlichen Palast vorbeiführte.
»Das ist unsere große Entdeckung«, sagte sie. »Unter jeder der sieben Pyramiden steht ein Schrein, was bis dato unbekannt war und niemand vermutet hätte. Wir haben vor etwa sechs Monaten nahe der Dritten Pyramide gearbeitet und versucht, das Fundament zu stützen, als wir über den ersten gestolpert sind. Er war geplündert worden, höchstwahrscheinlich schon in grauer Vorzeit. Aber es war dennoch ein aufregender Fund, und wir machten uns sofort auf die Suche nach ähnlichen Schreinen unter den fünf anderen unversehrten Pyramiden. Und fanden sie: ebenfalls geplündert. Eine Zeitlang machten wir uns nicht die Mühe, nach dem Schrein der siebten Pyramide zu graben. Wir gingen davon aus, daß keine Hoffnung bestand, dort etwas Interessantes zu finden, daß er ebenfalls geplündert worden sein mußte, als die Pyramide zerstört worden war. Aber dann beschlossen Huukaminaan und ich, daß wir eigentlich auch dort suchen könnten, und wir haben den Graben ausgehoben, durch den wir zwei gerade gegangen sind. Nach einem Tag stießen wir auf diesen Steinboden. Kommt.«
Sie gingen tiefer hinein und betraten einen sorgfältig angelegten Tunnel, der gerade breit genug war, daß vier Menschen nebeneinander darin stehen konnten. Die Wände bestanden aus dünnen Platten schwarzen Steins, die wie Bücherstapel aufeinandergeschichtet waren und bis zu einer Gewölbedecke aus demselben Stein reichten, die in eine Reihe von Spitzbögen überging. In handwerklicher Hinsicht war das alles exzellent gemacht und hatte etwas eindeutig Archaisches. Die Luft in dem Tunnel war heiß und stickig und trocken, uralte Luft, leblose Luft. Für Valentines Nase hatte sie einen abgestandenen, toten Beigeschmack.
»Diese Art von unterirdischem Durchgang nennen wir ein Prozessions-Hypogeion«, erklärte Magadone Sambisa. »Wahrscheinlich wurde er von Priestern benutzt, die Opfergaben zum Schrein der Pyramide trugen.«
Ihre Fackel warf einen weiten Kreis fahlen Lichts, der Valentine ermöglichte, eine Wand aus kunstvoll bearbeitetem weißem Stein zu sehen, der den Durchgang vor ihnen versperrte. »Ist dies das Fundament der Pyramide, das wir da sehen?« fragte er.
»Nein. Was wir hier sehen, das ist die Wand des Schreins am Fundament der Pyramide. Die Pyramide selbst liegt auf der anderen Seite. Die anderen Schreine grenzten in exakt derselben Weise an ihre Pyramiden an. Der Unterschied ist, daß alle anderen aufgebrochen worden waren. Dieser hier ist offenbar niemals angetastet worden.«
Valentine pfiff leise. »Und was befindet sich Eurer Ansicht nach im Inneren?«
»Wir haben keine Ahnung. Wir haben den Öffnungstermin verschoben, weil wir abwarten wollten, bis Lord Hissune von seiner Prozession auf Zimroel zurückkehrt, damit Ihr und er dabeisein konntet, wenn wir die Wand durchbrechen. Aber dann - der Mord . . .«
»Ja«, sagte Valentine ernst. Und nach einem Moment: »Wie seltsam, daß die Verwüster dieser Stadt die Siebte Pyramide so gründlich zerstört haben, den Schrein darunter aber unversehrt ließen! Man sollte doch annehmen, daß sie keinen Stein auf dem anderen gelassen hätten.«
»Vielleicht war etwas in dem Schrein eingemauert, in dessen Nähe sie nicht gehen wollten, oder? Ist jedenfalls ein Gedanke. Vielleicht werden wir die Wahrheit nie erfahren, auch wenn wir ihn öffnen. Falls wir ihn öffnen.«
»Falls?«
»Das könnte Probleme geben, Euer Majestät. Politische Probleme, meine ich. Darüber müssen wir uns unterhalten. Aber das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür.«
Valentine nickte. Er deutete auf eine Reihe kleiner schräger Vertiefungen, rund zwanzig Zentimeter tief und dreißig Zentimeter hoch, die rund vierzig
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