Der siebte Schrein
Metamorphenfrau mit hübscher jadegrüner Haut. »Was ist Eure Meinung dazu?« fragte er sie.
Ihr Gesichtsausdruck blieb vollkommen gleichgültig. »Als Keramikexpertin habe ich keine Meinung.«
»Ich habe Euch nicht nach Eurer Meinung als Keramikexpertin gefragt, sondern als Mitglied der Expedition. Als Kollegin von Dr. Huukaminaan. Findet Ihr, es war eine Art Opfer geplant, als der Kopf dort plaziert wurde?«
»Es ist eine reine Mutmaßung, daß diese Alkoven Opferstätten waren«, sagte Thiuurinen brüsk. »Ich bin nicht in der Lage, Spekulationen anzustellen.«
Und sie ließ sich auch nicht darauf ein. Keiner von ihnen. Nicht Kaastisiik, nicht Vo-Siimifon, nicht der Formationskundler Pamikuuk, nicht Hieekraad, die Hüterin der Artefakte, nicht Driismiil, der Architekturspezialist, nicht Klelliin, die Kapazität in piurivarischer Paläotechnologie, und auch nicht Viitaal-Twuu, der Spezialist für Metallurgie.
Höflich, nachsichtig, fest, unerschütterlich lehnten sie Valentines Hypothese von einem Ritualmord ab. War die grausame Verstümmelung von Dr. Huukaminaan eine Rückkehr zu den Bestattungspraktiken des frühgeschichtlichen Velalisier? Konnte der Kopf möglicherweise in dem Alkoven plaziert worden sein, um ein übernatürliches Wesen milde zu stimmen? Gab es unter den Traditionen der Piurivar eine, die gutheißen mochte, wenn jemand auf diese Weise getötet wurde? Sie konnten es nicht sagen. Sie wollten es nicht sagen. Und auch als er fragte, ob ihr verstorbener Kollege möglicherweise einen Feind hier in der Ausgrabungsstätte gehabt habe, gaben sie ihm keine Informationen.
Und sie reagierten lediglich mit dem Piurivar-Äquivalent eines Schulterzuckens, als er sich laut fragte, ob es zu einem Streit wegen der Entdeckung eines wertvollen Artefakts gekommen sein konnte, der zur Ermordung Huukaminaans geführt haben mochte; vielleicht auch ein abstrakterer Streit, eine nachhaltige Uneinigkeit über die Funde oder Ziele der Expedition. Niemand regte sich über die Andeutung auf, einer von ihnen könnte den alten Huukaminaan aus einem solchen Grund getötet haben. Sie verhielten sich, als würde allein die Vorstellung, so etwas zu tun, ihr Begriffsvermögen übersteigen, eine derart fremdartige Vorstellung, daß man sie nicht einmal in Erwägung ziehen konnte.
Im Verlauf des Gesprächs nutzte Valentine die Gelegenheit, an jeden mindestens eine direkte Frage zu richten. Aber das Ergebnis war stets dasselbe. Sie waren nicht hilfsbereit, machten aber nicht den Eindruck, besonders ausweichend zu sein. Sie waren zurückhaltend, ohne ungewöhnlich verschlagen oder geheimniskrämerisch zu wirken. Ihre Verweigerung der Zusammenarbeit machte keinen übertrieben verdächtigen Eindruck. Sie schienen genau das zu sein, was sie vorgaben: Wissenschaftler und Gelehrte, die entschlossen waren, die begrabenen Geheimnisse der fernen Vergangenheit ihrer Rasse freizulegen, die nicht das geringste über das Rätsel wußten, das sich hier in ihrer Mitte abgespielt hatte. Valentine hatte nicht den Eindruck, daß er sich in der Gesellschaft von Mördern befand.
Und doch . . . und doch . . .
Sie waren Gestaltwandler. Er war der Pontifex, der Kaiser der Rasse, die sie erobert hatte, in direkter Linie über achttausend Jahre hinweg der Nachfolger des fast schon legendären Soldaten-Königs Lord Stiamot, der ihnen für alle Zeiten ihre Unabhängigkeit genommen hatte. So sanftmütig und gelehrt sie waren, diese acht Piurivar vor ihm waren sicher nicht davor gefeit, auf einer gewissen Ebene Wut auf ihre menschlichen Herren und Meister zu empfinden. Sie hatten keinen Grund, mit ihm zusammenzuarbeiten. Sie hielten sich gewiß nicht für verpflichtet, ihm die Wahrheit zu sagen. Und seine Intuition riet ihm, bei diesen Leuten nichts so zu nehmen, wie es schien - oder sprachen da nur seine angeborenen und unausweichlichen rassistischen Vorurteile, fragte sich Valentine. Konnte er dem Eindruck offensichtlicher Unschuld, den sie vermittelten, wirklich trauen? War es einem Menschen jemals möglich, zu lesen, was hinter den kühlen und undurchschaubaren Mienen eines Metamorphen vor sich ging?
»Was meinst du?« fragte er Deliamber, als die acht Gestaltwandler gegangen waren. »Mörder oder nicht?«
»Wahrscheinlich nicht«, antwortete der Vroon. »Diese nicht. Zu sanft, zu verstädtert. Aber sie haben etwas verheimlicht. Dessen bin ich ganz sicher.«
»Also hast du es auch gespürt?«
»Ohne jeden Zweifel. Was ich gespürt habe, Euer
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