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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Majestät - wißt Ihr, was das Vroon-Wort hsirthiir bedeutet?«
    »Nicht ganz.«
    »Es ist nicht einfach zu übersetzen. Aber es hat damit zu tun, daß man jemanden verhört, der nicht die Absicht hat, einem Lügen aufzutischen, einem aber deshalb nicht zwangsläufig die Wahrheit sagen wird, wenn man nicht ganz genau weiß, wie man sie ihm entlockt. Man hat die überaus starke Wahrnehmung, daß eine wichtige Schicht von Bedeutungen irgendwo unter der Oberfläche von dem liegt, was einem erzählt wird, aber es wird einem nicht gestattet, diese Bedeutungen hervorzulocken, wenn man nicht genau die richtige Frage stellt, um sie zu befreien. Was im Grunde bedeutet, daß man die Information, nach der man sucht, schon besitzen muß, damit man die Frage stellen kann, auf die sie preisgegeben wird. Es ist ein höchst frustrierendes Gefühl, hsirthiir; sogar fast schmerzhaft. Als würde man mit dem Schnabel gegen eine Mauer hauen. Gerade eben bin ich mir wie in einem Zustand von hsirthiir vorgekommen. Ihr offenbar auch, Euer Majestät.«
    »Offenbar«, sagte Valentine.
    Es blieb noch ein Besuch zu machen. Es war ein langer Tag gewesen, und inzwischen war eine furchtbare Müdigkeit über Valentine gekommen. Aber er verspürte einen inneren Drang, die grundsätzlichen Fragen so rasch wie möglich zu klären; und daher bat er Magadone Sambisa, als die Dunkelheit sich herabgesenkt hatte, ihn ins Dorf der Metamorphenarbeiter zu bringen.
    Sie war nicht glücklich darüber. »Normalerweise behelligen wir sie nicht gern, wenn sie ihr Tagwerk getan haben und dorthin zurückgekehrt sind, Euer Majestät.«
    »Normalerweise habt Ihr auch keine Mörder hier. Oder Besuch vom Pontifex. Ich würde lieber heute abend mit ihnen sprechen, als morgen die Ausgrabungen unterbrechen, wenn Ihr gestattet.«
    Deliamber begleitete ihn erneut. Lisamon Hultin ebenfalls, auf eigenen Wunsch. Tunigorn war zu müde, um mitzukommen - die mittägliche Spaziergang durch die Ruinen hatte ihm zugesetzt -, und Mirigant fühlte das Fieber eines Sonnenstichs in sich; aber der prächtige Herzog Nascimonte willigte trotz seines hohen Alters sofort ein, mit dem Pontifex zu reiten. Das letzte Mitglied der Gruppe war Aarisiim, der Metamorph in Valentines Leibgarde, den Valentine nicht zum Schutz mitnahm - darum würde sich Lisamon Hultin kümmern -, sondern wegen des hsirtbiir -Problems.
    Aarisiim schien für Valentine, obgleich er einst ein Überläufer gewesen war, so vertrauenswürdig zu sein, wie ein Piurivar nur sein konnte: Er hatte zur Zeit der Rebellion sein Leben aufs Spiel gesetzt, um Faraataa, seinen Herrn, an Valentine zu verraten, als er der Meinung war, daß Faraataa mit seiner Drohung, die Königin der Metamorphen zu töten, die Grenzen des Zumutbaren überschritten hatte. Möglicherweise konnte er jetzt eine Hilfe sein und etwas aufspüren, das selbst Deliambers aufmerksamer Wahrnehmung entging.
    Das Dorf der Arbeiter war ein einziges Chaos kümmerlicher Weidenhütten am Rand des zentralen Sektors der Ausgrabungsstätte. In seinem dürftigen behelfsmäßigen Zustand erinnerte es Valentine an Ilirivoyne, die Hauptstadt der Gestaltwandler im Dschungel von Zimroel, die er vor so vielen Jahren besucht hatte. Aber dieser Ort war noch viel trauriger und entmutigender als Ilirivoyne. Dort hatten die Gestaltwandler wenigstens hohe, gerade Baumstämme und Ranken im Überfluß gehabt, um ihre primitiven Hütten zu bauen, wogegen ihnen hier als Baumaterial lediglich die verkümmerten und knorrigen Wüstenbüsche zur Verfügung standen, die vereinzelt in der Ebene von Velalisier wuchsen. Und so waren ihre Hütten erbärmliche kleine Schuppen, entsetzlich krumm und schief.
    Irgendwie hatte die Nachricht sie erreicht, daß der Pontifex kam. Valentine fand sie in Gruppen von acht oder zehn vor ihren Hütten, wo sie eindeutig auf seine Ankunft warteten. Sie waren eine mitleiderregende, verhungerte Bande, hager, schäbig und zerlumpt, ganz anders als die weltgewandten und kultivierten Metamorphen von Magadone Sambisas archäologischem Team. Valentine fragte sich, woher sie die Kraft für das Graben nahmen, das in diesem unwirtlichen Klima von ihnen verlangt wurde.
    Als der Pontifex eintraf, schlurften sie ihm entgegen und umringen ihn und den Rest der Gruppe bald auf eine Weise, die Lisamon Hultin veranlaßte, laut zu zischen und die Hand an den Griff ihres Vibrationsschwertes zu legen.
    Aber sie schienen nichts Böses im Sinn zu haben. Sie drängten sich aufgeregt um ihn

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