Der siebte Schrein
Eindruck erweckt.«
»Und wenn es so ist?«
»Dann haben wir unsern Ausgangspunkt. Ich glaube, es wird jetzt Zeit, mit der nächsten Phase der Arbeit zu beginnen. Bitte haben Sie die Güte, heute nachmittag Ihre sämtlichen Archäologen der Piurivar zusammenzurufen. Ich möchte mit ihnen reden.«
»Mit einem nach dem anderen oder mit allen zusammen?«
»Zuerst mit allen zusammen«, sagte Valentine. »Danach werden wir weitersehen.«
Aber Magadone Sambisas Leute waren über die gesamte riesige Ausgrabungsstätte verstreut, jeder mit einem speziellen Projekt beschäftigt, und die Frau flehte Valentine an, sie erst zu sich zu bitten, wenn der Arbeitstag vorüber war. Es würde so lange dauern, alle zu verständigen, sagte sie, daß die schlimmste Hitze herrschen würde, bis sie den Rückweg zum Lager antreten konnten, und dann wären sie gezwungen, in der Mittagsglut durch die Ruinen zu stapfen, statt sich in einer dunklen Höhle niederzulassen und die kühleren Stunden abzuwarten. Sollten sie ihr Tagwerk doch besser erst vollenden.
Das schien nur vernünftig. Er stimmte zu.
Aber Valentine selbst war nicht in der Lage, geduldig bis zur Dämmerung zu warten. Der Mord hatte ihn zutiefst erschüttert. Er war ein weiteres Symptom für die seltsame neue Dunkelheit, die sich zu seinen Lebzeiten über die Welt gesenkt hatte. So riesig Majipoor auch war, es war seit langem ein friedlicher Ort, wo es Komfort und Überfluß für alle gab und Verbrechen jeder Art außerordentlich selten waren. Dennoch war allein in der derzeitigen Generation Coronal Lord Voriax brutal ermordet worden, und danach war es zu dem diabolisch eingefädelten Aufstand gekommen, durch den Voriax´ Nachfolger - Valentine - vorübergehend vom Thron gestoßen worden war.
Die Metamorphen, das wußte inzwischen jeder, hatten hinter beiden Untaten gesteckt.
Und als Valentine seinen Thron zurückerobert hatte, war es zu dem Rebellionskrieg gekommen, den der verbitterte Metamorph Faraataa vom Zaun gebrochen hatte, ein Krieg mit Seuchen, Hungersnöten, Aufständen, weltweiter Panik und allerorten großen Zerstörungen im Gefolge. Valentine hatte den Aufstand schließlich beendet, indem er Faraataa persönlich getötet hatte - eine Tat, die der sanftmütige Valentine voller Grauen ins Auge gefaßt, aber dennoch ausgeführt hatte, weil sie getan werden mußte.
Und nun war in diesem neuen Zeitalter von weltweitem Frieden und Harmonie, das Valentine als Pontifex herbeigeführt hatte, ein bewundernswerter und geliebter alter Metamorphengelehrter auf brutalste Weise ermordet worden. Hier in der heiligen Stadt der Metamorphen selbst ermordet, wo er mit einer archäologischen Ausgrabung beschäftigt gewesen war, die Valentine angeregt hatte, um den neuen Respekt zu demonstrieren, den die Menschen auf Majipoor für die Ureinwohner empfanden, die sie verdrängt hatten. Und zumindest nach dem derzeitigen Erkenntnisstand deutete alles darauf hin, daß der Mörder selbst ein Metamorph war.
Aber das schien Wahnsinn zu sein.
Vielleicht hatte Tunigorn recht und alles war nur das Wirken eines uralten Fluchs. Aber es fiel Valentine schwer, das zu schlucken. Er glaubte nicht an so etwas wie Flüche. Und dennoch - dennoch . . .
Rastlos streifte er in der größten Hitze des Tages durch die uralte Stadt, ohne auf die Widrigkeiten zu achten, und schleppte seine unglücklichen Gefährten mit sich. Das große gold-grüne Auge der Sonne starrte unbarmherzig herab. Hitzeflimmern tanzte in der Luft. Die Büsche mit den ledrigen kleinen Blättern, die überall in den Ruinen wuchsen, schienen sich in sich zusammenzufalten, um den gleißenden Lichtfluten zu entrinnen. Selbst die zahllosen herumhuschenden Eidechsen, die zwischen den Steinen hausten, wurden um so zurückhaltender, je höher die Temperaturen stiegen.
»Man könnte fast meinen, wir seien nach Suvrael versetzt worden«, sagte Tunigorn, der in der Hitze keuchte, während er pflichtschuldig an der Seite des Pontifex dahinstapfte. »Dies ist das Klima des erbärmlichen Südlands und nicht unseres schönen Alhanroel.«
Nascimonte schenkte ihm ein kurzes, sardonisches Grinsen. »Nur ein weiteres Beispiel für die Boshaftigkeit der Gestaltwandler, Lord Tunigorn. Zu der Zeit, als diese Stadt ihre Blüte erlebte, lagen grüne Wälder ringsum, und die Atmosphäre war kühl und mild. Aber dann wurde der Fluß umgeleitet, die Wälder starben ab, und hier blieb nichts übrig außer dem kahlen Fels, den Ihr seht, der die
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