Der siebte Schrein
ausgebrochen war, die einen gelehrten und umgänglichen alten Mann das Leben gekostet hatte. Die Logik, die jeden Aspekt von Valentines Seele durchdrang, weigerte sich, etwas Derartiges zu akzeptieren. Aber er wußte, sein eigenes Schicksal und möglicherweise das Schicksal des Planeten konnten davon abhängen, daß er eine Lösung des Rätsels fand, das hier so explosionsartig aufgetaucht war.
»Ihr werdet mir schon verzeihen, gute Majestät«, sagte Tunigorn und riß Valentine aus seinen düsteren Gedanken, als sich gerade ein neues Labyrinth verfallener Straßen vor ihnen auftat. »Aber wenn ich noch einen Schritt in dieser Hitze mache, breche ich zusammen und fange an zu stammeln wie ein Irrer. Mein Gehirn schmilzt schon.«
»Nun denn, Tunigorn, dann solltet Ihr rasch Schutz suchen und es abkühlen! Ihr könnt Euch kaum leisten, daß das, was noch davon übrig ist, Schaden davonträgt, nicht wahr, alter Freund?« Valentine zeigte in Richtung des Lagers. »Kehrt um. Geht. Ich werde meinen Spaziergang jedenfalls fortsetzen.«
Er war nicht sicher, warum. Aber etwas trieb ihn unerbittlich voran durch die weite, verfallene Einöde der von Sand verwehten und von der Sonne ausgebleichten Ruinen, ohne daß er wußte, wonach er suchte. Einer nach dem anderen verabschiedeten sich seine Gefährten mit dieser oder jener Ausrede von ihm, bis nur noch die unermüdliche Lisamon Hultin übrigblieb. Die Riesin war ihm stets treu ergeben. In der Zeit, bevor er den Coronalsthron zurückerobert hatte, hatte sie ihn vor den Gefahren des Mazadonewaldes beschützt. Sie war seine Wächterin im Bauch des Meeresdrachen gewesen, der sie im Meer vor Piliplok verschlungen hatte, als sie auf der Fahrt von Zimroel nach Alhanroel Schiffbruch erlitten hatten, und sie hatte ihn herausgeschnitten und in Sicherheit gebracht. Sie würde ihn auch jetzt nicht verlassen. Tatsächlich schien sie bereit zu sein, immer weiter mit ihm zu gehen, Tag und Nacht und den Tag darauf auch, sollte er es von ihr verlangen.
Aber schließlich hatte selbst Valentine genug. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand zur Mittagszeit längst überschritten. Überall rings um ihn herum wuchsen klar umrissene Schatten, rosa und purpur und dunkelstes Obsidian. Er fühlte sich ein wenig schwindlig, sein Kopf schien sich zu drehen, sein Sehvermögen war etwas eingeschränkt, weil er sich so lange dem grellen Licht der sengenden Sonne ausgesetzt hatte, und jede Straße mit verfallenen Gebäuden sah genau wie die davor aus. Es wurde Zeit, endlich umzukehren. Welche Buße er sich auch immer mit der kräftezehrenden Reise durch dieses Reich von Tod und Zerstörung auferlegt hatte, inzwischen mußte sie abgegolten sein. Er stützte sich jetzt hin und wieder auf Lisamon Hultins Arm, während sie sich auf dem Rückweg zu den Zelten des Lagers befanden.
Magadone Sambisa hatte ihre acht Metamorphenarchäologen um sich geschart. Valentine, der gebadet, geruht und eine Kleinigkeit gegessen hatte, empfing sie kurz nach Sonnenuntergang in seinem Zelt, lediglich in Gegenwart des kleinen Vroon Autifon Deliamber. Er wollte sich ein Urteil über diese Metamorphen bilden, ohne sich durch die Anwesenheit von Nascimonte und den anderen ablenken zu lassen; aber Deliamber verfügte über gewisse Zauberkräfte, die Valentine sehr schätzte, und das kleine Geschöpf mit seinen zahlreichen Tentakeln mochte durchaus imstande sein, mit seinen großen und wachsamen goldenen Augen bestimmte Dinge wahrzunehmen, die Valentines menschlichem Sehvermögen entgingen.
Die Gestaltwandler saßen im Halbkreis, Valentine ihnen gegenüber, der kleine, mit Runzeln übersäte alte Vroon zu seiner Linken. Der Pontifex ließ den Blick über die Gruppe schweifen, von Kaastisiik, dem Aufseher, an einem Ende, bis hin zu dem Paläographen Vo-Siimifon am anderen. Sie erwiderten seine Blicke gelassen, fast gleichgültig, diese acht Piurivars mit den gummiartigen Gesichtern und den schrägen Augen, als er ihnen erzählte, was er heute gesehen hatte, den Friedhof und die zerstörte Pyramide, den Schrein darunter und den Alkoven, wo Huukaminaans Mörder den abgeschnittenen Kopf so sorgfältig plaziert hatte.
»Würden Sie nicht auch sagen, daß der Mord einen gewissen formalen Aspekt hatte?« fragte Valentine. »Daß der Leichnam in Stücke geschnitten wurde? Der Kopf zum Schrein hinuntergetragen und im Alkoven der Opfer plaziert wurde?« Sein Blick fiel auf Thiuurinen, die Keramikexpertin, eine schlanke, kleinwüchsige
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