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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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nicht glauben, was er sah. Dann hörte er ein Knacken, und Tanselle schrie.
    Einer von Aerions Männern versuchte ihn zu ergreifen und flog in hohem Bogen davon. Drei große Schritte, dann packte Dunk den Prinzen an der Schulter und drehte ihn grob um. Schwert und Dolch hatte er vergessen, ebenso wie alles, was ihm der alte Mann je beigebracht hatte. Er schlug Aerion mit der Faust von den Füßen und trat dem Prinzen mit der Stiefelspitze in den Magen. Als Aerion nach seinem Messer greifen wollte, stellte sich Dunk auf sein Handgelenk und trat wieder nach ihm, genau in den Mund. Er hätte ihn vielleicht an Ort und Stelle zu Tode getreten, aber die Männer des Prinzen bedrängten ihn. Er hatte an jedem Arm einen Mann hängen, und ein dritter schlug ihm auf den Rücken. Kaum hatte er einen abgeschüttelt, hingen zwei weitere an ihm.
    Schließlich zerrten sie ihn zu Boden und hielten ihm Arme und Beine fest. Aerion war wieder aufgestanden. Der Mund des Prinzen war blutig. Er tastete mit einem Finger darin. »Ihr habt mir einen Zahn gelockert«, klagte er, »also werden wir damit anfangen, daß wir Euch jeden einzelnen ausschlagen.« Er strich sich das Haar aus den Augen. »Ihr kommt mir bekannt vor.«
    »Ihr habt mich für einen Stallburschen gehalten.«
    Aerion lächelte blutrot. »Ich erinnere mich. Ihr habt Euch geweigert, mein Pferd zu nehmen. Warum habt Ihr Euer Leben weggeworfen? Für diese Hure?« Tanselle lag zusammengekrümmt auf dem Boden und hielt sich die verletzte Hand. Er stieß sie mit der Stiefelspitze an. »Sie ist es nicht wert. Eine Verräterin. Der Drache darf niemals verlieren.«
    Er ist verrückt, dachte Dunk, aber er ist trotzdem der Sohn eines Prinzen, und er will mich töten. Da hätte er vielleicht gebetet, hätte er ein Gebet bis zum Ende gekannt, aber dazu blieb keine Zeit. Es blieb kaum genug Zeit, um Angst zu haben.
    »Nichts mehr zu sagen?« sagte Aerion. »Ihr langweilt mich, Ser.« Er tastete wieder in seinem blutigen Mund. »Hol einen Hammer und brich ihm sämtliche Zähne aus, Wate«, befahl er, »und dann schneiden wir ihn auf und zeigen ihm, welche Farbe seine Eingeweide haben.«
    »Nein!« sagte die Stimme eines Jungen. »Tu ihm nicht weh!«
    Ihr Götter, der Junge, der tapfere, törichte Junge, dachte Dunk. Er kämpfte gegen die Arme, die ihn hielten, aber es war zwecklos. »Halt den Mund, dummer Junge. Lauf weg. Sie werden dir weh tun!«
    »Nein, das werden sie nicht.« Ei kam näher. »Wenn sie das tun, werden sie meinem Vater Rede und Antwort stehen müssen. Und meinem Onkel ebenfalls. Laßt ihn los, habe ich gesagt! Wate, Yorkel, ihr kennt mich. Tut, was ich euch sage!«
    Die Hände, die seinen linken Arm hielten, wurden zurückgezogen, dann die anderen. Dunk verstand nicht, was da vor sich ging. Die Bewaffneten wichen zurück. Einer kniete sogar nieder. Dann machte die Menge Raymun Fossoway Platz. Er hatte Kettenhemd und Helm angelegt und die Hand am Schwertgriff. Ser Steffon, sein Vetter, folgte ihm dichtauf und hatte bereits seine Klinge gezückt, und zu ihrem Gefolge gehörten ein halbes Dutzend bewaffnete Männer, die das Abzeichen des roten Apfels auf die Brust genäht hatten.
    Prinz Aerion beachtete sie nicht. »Frecher kleiner Kerl«, sagte er zu Ei und spuckte dem Jungen einen Mundvoll Blut vor die Füße. »Was ist mit deinem Haar passiert?«
    »Ich habe es abgeschnitten, Bruderherz«, sagte Ei. »Ich wollte nicht aussehen wie du.«
     
    Am zweiten Tag des Turniers war es bewölkt, ein böiger Wind wehte von Westen. An so einem Tag dürften weniger Besucher dasein, dachte Dunk. Es wäre leichter für sie gewesen, einen Platz näher am Zaun zu finden, um den Wettstreit aus der Nähe zu sehen. Ei hätte sich auf das Geländer setzen und ich mich hinter ihn stellen können.
    Statt dessen würde Ei einen Platz auf der Zuschauertribüne haben, in Seide und Pelze gekleidet, während Dunks Aussicht auf die vier Wände des Turmverlieses beschränkt sein würde, wo Lord Ashfords Männer ihn eingesperrt hatten. Die Zelle hatte ein Fenster, aber es ging in die falsche Richtung. Dennoch zwängte sich Dunk auf die Fensterbank, als die Sonne aufging, und sah düster über Stadt und Wiese und Wald. Sie hatten seinen Schwertgürtel aus Hanfseil, sein Schwert und seinen Dolch mitgenommen, und auch sein Silber. Er hoffte, Ei oder Raymun würden an den Braunen und Donner denken.
    »Ei«, murmelte er leise hauchend. Sein Knappe, ein armer Kerl von den Straßen von King´s Landing. Hatte

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