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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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übergingen, und sein schwarzer Helm wurde von einem Kamm roter Emailleflammen geziert.
    Nach einer Pause, um die Lanze vor Prinz Baelor zu neigen, einer so kurzen Pause, daß sie fast nachlässig zu nennen war, galoppierte er zum Nordende des Felds, an den Zelten von Lord Leo und dem Lachenden Sturm vorbei, und wurde erst langsamer, als er sich Prinz Valarrs Zelt näherte. Der junge Prinz erhob sich und stellte sich steif neben seinen Schild, und einen Augenblick war Dunk überzeugt, daß Aerion darauf klopfen würde . . . aber dann lachte er und trabte vorbei und schlug mit der Lanzenspitze hart auf die Raute von Ser Humfrey Hardyng. »Kommt heraus, kommt heraus, kleiner Ritter«, sang er mit lauter, deutlicher Stimme, »es wird Zeit, daß Ihr dem Drachen gegenübertretet.«
    Ser Humfrey neigte steif den Kopf vor seinem Gegner, während sein Streitroß gebracht wurde, und schenkte ihm danach gar keine Beachtung mehr, stieg auf, setzte den Helm auf und nahm Lanze und Schild. Die Zuschauer wurden still, als die beiden Ritter ihre Plätze einnahmen. Dunk hörte das Klirren, als Prinz Aerion sein Visier zuklappte. Das Horn ertönte.
    Ser Humfrey setzte sich langsam in Bewegung und wurde nur langsam schneller, wohingegen sein Kontrahent dem rotbraunen Streitroß beide Sporen in die Flanken rammte und in gestrecktem Galopp heranbrauste. Ei kniff wieder die Beine zusammen. »Töte ihn!« schrie er plötzlich. »Töte ihn, er ist direkt vor dir, töte ihn, töte ihn!« Dunk war nicht sicher, welchen der Ritter er meinte.
    Prinz Aerions Lanze, die eine goldene Spitze hatte und mit roten, gelben und orangefarbenen Streifen bemalt war, schwang über die Barriere herab. Zu tief, zu tief, dachte Dunk in dem Moment, als er es sah. Er wird den Reiter verfehlen und Ser Humfreys Pferd treffen, er muß die Lanze höher halten. Dann dämmerte ihm mit wachsendem Entsetzen, daß Aerion nicht daran dachte. Er kann doch nicht ernsthaft . . .
    Im letztmöglichen Augenblick scheute Sir Humfreys Hengst mit vor Angst verdrehten Augen vor der Spitze weg, die auf ihn zugerast kam, aber es war zu spät. Aerions Lanze erwischte das Tier unmittelbar über dem Panzer, der sein Brustbein schützte, und schoß in einem Schwall roten Blutes im Nacken wieder hinaus. Das Pferd fiel schreiend zur Seite und zertrümmerte im Sturz die Holzbarriere. Ser Humfrey versuchte, abzuspringen, blieb aber mit einem Fuß im Steigbügel hängen, und alle hörten seinen Schrei, als sein Bein zwischen dem gesplitterten Zaun und dem stürzenden Pferd brach.
    Ein einziger Aufschrei hallte über den Wasen von Ashford. Männer rannten auf das Feld, um Ser Humfrey zu helfen, aber das Pferd, das unter Qualen verendete, trat nach ihnen, als sie näher kamen. Aerion, der unbekümmert um das Blutbad herum bis zum Ende der Schranken geritten war, wendete sein Pferd und kam zurückgaloppiert. Auch er brüllte, aber Dunk konnte die Worte durch die fast menschlich anmutenden Schreie des sterbenden Pferdes nicht verstehen. Aerion sprang aus dem Sattel, zog das Schwert und näherte sich seinem gestürzten Gegner. Seine eigenen Knappen und einer von Ser Humfrey mußten ihn wegziehen. Ei zappelte auf Dunks Schultern. »Laß mich runter«, sagte der Junge. »Das arme Pferd, laß mich runter!«
    Dunk war selbst übel. Was würde ich tun, wenn Donner so ein Schicksal ereilen würde? Ein bewaffneter Mann mit einer Streitaxt erlöste Ser Humfreys Hengst, der unter gräßlichen Schreien starb. Dunk drehte sich um und drängte sich durch die Menge. Als sie offenes Gelände erreicht hatten, hob er Ei von seinen Schultern. Die Kapuze des Jungen war nach hinten gefallen, seine Augen waren rot. »Ein schrecklicher Anblick, ja«, sagte er dem Burschen, »aber ein Knappe muß stark sein. Ich fürchte, bei anderen Turnieren wirst du schlimmere Unfälle sehen.«
    »Das war kein Unfall«, sagte Ei mit bebendem Mund. »Aerion wollte es so. Das hat man gesehen.«
    Dunk runzelte die Stirn. Für ihn hatte es auch so ausgesehen, aber es fiel ihm schwer, zu glauben, daß ein Ritter derart unritterlich sein konnte, am wenigsten einer vom Geblüt des Drachen. »Ich habe einen Ritter gesehen, der so grün wie Sommergras ist und die Kontrolle über seine Lanze verloren hat«, sagte er störrisch, »und ich will nichts mehr davon hören. Ich glaube, für heute ist das Turnier vorbei. Komm mit, Bursche.«
     
    Er hatte recht, was das Ende des Wettstreits dieses Tages betraf. Als das Durcheinander beseitigt war,

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