Der siebte Schrein
eine Ziege mit Honig- und Kräuterkruste über einem kleinen Feuer. »Wir haben auch Essen, wenn Ihr hungrig seid«, sagte Raymun beiläufig, während er Dunk die Zeltklappe aufhielt. Ein Kohlebecken spendete Licht im Inneren und sorgte für angenehme Wärme. Raymun füllte zwei Becher mit Wein. »Sie sagen, Aerion ist wütend auf Lord Ashford, weil er Ser Humfrey sein Streitroß zugesprochen hat«, bemerkte er, während er einschenkte, »aber ich wette, sein Onkel steckt dahinter.« Er reichte Dunk einen Weinbecher.
»Prinz Baelor ist ein Ehrenmann.«
»Und der Strahlende Prinz nicht?« Raymun lachte. »Seht nicht so besorgt drein, Ser Duncan, außer uns ist niemand hier. Es ist kein Geheimnis, daß Aerion ein schlechter Kerl ist. Den Göttern sei Dank, daß er in der Thronfolge weit unten steht.«
»Ihr glaubt wirklich, daß er die Absicht hatte, das Pferd zu töten?«
»Kann daran ein Zweifel bestehen? Wenn Prinz Maekar dagewesen wäre, dann wäre die Sache anders ausgegangen, das garantiere ich Euch. Aerion ist ganz Lächeln und Ritterlichkeit, wenn sein Vater zuschaut, sofern man den Geschichten Glauben schenken kann, aber wenn nicht . . .«
»Ich habe gesehen, daß der Stuhl von Prinz Maekar nicht besetzt war.«
»Er hat Ashford verlassen, um nach seinen Söhnen zu suchen, zusammen mit Roland Crakehall von der Königsgarde. Eine wilde Geschichte über Räuberbanden macht die Runde, aber ich wette, der Prinz ist einfach wieder auf Zechtour.«
Der Wein war köstlich und fruchtig, einen besseren hatte Dunk noch nie gekostet. Er ließ ihn im Mund kreisen, schluckte ihn und sagte: »Welcher Prinz ist das wieder?«
»Maekars Erbe. Daeron heißt er, nach dem König. Sie nennen ihn Daeron den Säufer, aber nicht in Gegenwart seines Vaters. Der jüngste Sohn war ebenfalls bei ihm. Sie haben Summerhall zusammen verlassen, sind aber nicht in Ashford angekommen.« Raymun leerte seinen Becher und stellte ihn beiseite. »Armer Maekar.«
»Arm?« fragte Dunk verblüfft. »Der Sohn des Königs?«
»Der vierte Sohn des Königs«, sagte Raymun, »nicht so kühn wie Prinz Baelor, nicht so klug wie Prinz Aerys, nicht so sanftmütig wie Prinz Rhaegel. Und nun muß er sehen, wie seine eigenen Söhne von denen seines Bruder überflügelt werden. Daeron ist ein Säufer, Aerion ist eitel und grausam, der dritte Sohn war so hoffnungslos, daß sie ihn der Zitadelle übergeben haben, damit sie ihn zum Maester machen, und der jüngste -«
»Ser! Ser Duncan!« platzte Ei keuchend herein. Seine Kapuze war ihm in den Nacken gerutscht, das Licht des Kohlebeckens spiegelte sich in seinen großen, dunklen Augen. »Ihr müßt Euch beeilen, er tut ihr weh!«
Dunk sprang verwirrt auf die Füße. »Tut ihr weh? Wer?«
»Aerion!« schrie der Junge. »Er tut ihr weh! Der Puppenspielerin! Beeilt Euch.« Er wirbelte herum und rannte in die Nacht.
Dunk wollte ihm folgen, aber Raymun hielt ihn am Arm fest. »Ser Duncan - Aerion, hat er gesagt! Ein Prinz von Geblüt. Seid vorsichtig!«
Er wußte, das war ein guter Rat. Der alte Mann hätte dasselbe gesagt. Aber er konnte nicht daraufhören. Er schüttelte Raymuns Hand ab und zwängte sich aus dem Zelt hinaus. Aus der Richtung des Händlergeländes konnte er Rufe hören. Ei war fast nicht mehr zu sehen. Dunk rannte ihm hinterher. Seine Beine waren lang, die des Jungen kurz; er verringerte die Distanz rasch.
Eine Wand aus Schaulustigen hatte sich um die Puppenspieler herum versammelt. Dunk drängte sich durch und achtete nicht auf die Flüche. Ein Bewaffneter in der königlichen Livree stellte sich ihm entgegen. Dunk legte ihm seine große Hand auf die Brust und schubste ihn, so daß der Mann im Schmutz auf den Hintern fiel.
Der Stand der Puppenspieler war umgestoßen worden. Die dicke Dornischfrau lag weinend auf dem Boden. Ein Bewaffneter ließ die Marionetten Florian und Jonquil an den Händen baumeln, während ein anderer sie mit einer Fackel in Brand steckte. Drei weitere Männer rissen Kisten auf, warfen weitere Puppen heraus und trampelten darauf herum. Die Drachenpuppe lag überall verstreut, ein zerbrochener Flügel hier, der Kopf dort, der Schwanz in drei Teilen. Und inmitten von alledem stand Prinz Aerion prachtvoll in einem Wams aus rotem Samt mit langen Puffärmeln und drehte Tanselle mit beiden Händen den Arm um. Sie kniete vor ihm und flehte ihn an. Aerion achtete nicht darauf. Er zwang sie, die Hand zu öffnen, und packte einen ihrer Finger. Dunk stand benommen da und konnte
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