Der siebte Schrein
stand die Sonne tief im Westen, und Lord Ashford rief eine Unterbrechung aus.
Als die Abendschatten über den Wasen krochen, wurden hundert Fackeln auf dem Gelände der Händler angezündet. Dunk kaufte sich ein Horn Bier und ein halbes für den Jungen, um ihn aufzumuntern. Sie schlenderten eine Zeitlang herum, lauschten einer fröhlichen Melodie mit Pfeifen und Trommeln und sahen sich eine Marionettenvorstellung über Nymeria an, die Kriegerkönigin mit den zehntausend Schiffen. Die Marionettenspieler hatten nur zwei Schiffe, brachten aber dennoch eine packende Seeschlacht zustande. Dunk wollte das Mädchen Tanselle fragen, ob sie seinen Schild schon bemalt hatte, konnte aber sehen, daß sie beschäftigt war. Ich warte, bis sie für heute fertig ist, beschloß er. Vielleicht hat sie dann Durst.
»Ser Duncan«, rief eine Stimme hinter ihm. Und dann noch einmal: »Ser Duncan!« Plötzlich fiel Dunk ein, daß er das war. »Ich habe Euch heute mit diesem Jungen auf den Schultern unter den Gemeinen gesehen«, sagte Raymun Fossoway, der lächelnd näher kam. »Tatsächlich wart ihr beiden schwer zu übersehen.«
»Der Junge ist mein Knappe. Ei, das ist Raymun Fossoway.« Dunk mußte den Jungen nach vorne ziehen, und selbst dann hielt Ei den Kopf gesenkt und starrte Raymuns Stiefel an, während er seinen Gruß murmelte.
»Sei gegrüßt, Junge«, sagte Raymun leichthin. »Ser Duncan, warum seht Ihr nicht von der Zuschauertribüne aus zu? Alle Ritter sind dort willkommen.«
Dunk fühlte sich unter dem gemeinen Volk und der Dienerschaft wohl; der Gedanke, einen Platz unter den Lords und Ladies und begüterten Rittern zu fordern, erfüllte ihn mit Unbehagen. »Dieses letzte Gefecht hätte ich nicht gern aus nächster Nähe gesehen.«
Raymun verzog das Gesicht. »Ich auch nicht. Lord Ashford hat Ser Humfrey zum Sieger erklärt und ihm Prinz Aerions Rennpferd zugesprochen, aber trotzdem wird er nicht weitermachen können. Sein Bein ist an zwei Stellen gebrochen. Prinz Baelor hat seinen Leibmaester geschickt, damit er sich um ihn kümmert.«
»Wird ein anderer Kämpe an Ser Humfreys Stelle treten?«
»Lord Ashford hatte im Sinn, den Platz Lord Caron zu gewähren, oder dem anderen Ser Humfrey, der Hardyng so ein grandioses Duell geliefert hat, aber Prinz Baelor hat ihm gesagt, daß es nicht schicklich wäre, Ser Humfreys Schild und Zelt unter den gegebenen Umständen zu entfernen. Ich glaube, sie werden mit vier Kämpen statt fünf weitermachen.«
Vier Kämpen, dachte Dunk. Leo Tyrell, Lyonel Baratheon, Tybalt Lannister und Prinz Valarr. Er hatte am heutigen ersten Tag genug gesehen, um zu wissen, wie wenig Chancen er gegen die ersten drei haben würde. Damit blieb nur . . .
Ein Heckenritter kann keinen Prinzen herausfordern. Valarr ist der zweite Thronerbe des Eisenthrons. Er ist Baelor Breakspears Sohn, und sein Blut ist das Blut von Aegon dem Eroberer und dem Jungen Drachen und Prinz Aemon dem Drachenritter, und ich bin nur ein Junge, den der alte Mann hinter einer Töpferei im Flohviertel gefunden hat.
Sein Kopf brummte, wenn er nur daran dachte. »Wen möchte Euer Vetter herausfordern?« fragte er Raymun.
»Ser Tybolt, damit gleiche Chancen bestehen. Sie sind einander ebenbürtig. Aber mein Vetter verfolgt jeden Kampf mit größter Aufmerksamkeit. Sollte morgen ein Mann verwundet werden oder Anzeichen von Schwäche zeigen, wird Steffon schleunigst auf seinen Schild klopfen, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Niemand hat ihm je vorgeworfen, es mit der Ritterlichkeit zu übertreiben.« Er lachte, als wollte er damit seinen Worten die Schärfe nehmen. »Ser Duncan, möchtet Ihr mir bei einem Becher Wein Gesellschaft leisten?«
»Ich muß mich noch um eine Angelegenheit kümmern«, sagte Dunk, dem unwohl bei dem Gedanken war, einen Akt der Gastfreundschaft zu akzeptieren, den er nicht erwidern konnte.
»Ich könnte hier warten und Euch Euren Schild bringen, wenn die Vorstellung zu Ende ist, Ser«, sagte Ei. »Später werden sie Symeon Star-Eyes spielen und auch den Drachen wieder kämpfen lassen.«
»Da seht Ihr, Eure Angelegenheiten werden erledigt, und der Wein wartet«, sagte Raymun. »Und es ist ein Tropfen aus Arbor. Wie könnt Ihr da nein sagen?«
Da ihm keine Ausreden mehr einfielen, blieb Dunk nichts anderes übrig, als ihm zu folgen und Ei beim Marionettentheater zurückzulassen. Der Apfel des Hauses Fossoway wehte über dem goldenen Zelt, wo Raymun und sein Vetter wohnten. Dahinter drehten zwei Diener
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