Der siebte Schrein
ein größeres Anrecht auf sein Blut. Ein Urteil der Sieben ermöglicht uns beiden, ihm gegenüberzutreten.«
»Tu mir keinen Gefallen, Bruder«, murmelte Daeron Targaryen. Der älteste Sohn von Prinz Maekar sah schlimmer aus als bei der ersten Begegnung mit Dunk im Wirtshaus. Diesmal schien er nüchtern zu sein, sein rot-schwarzes Wams ohne Weinflecken, aber seine Augen waren blutunterlaufen, und ein feiner Schweißfilm überzog seine Stirn. »Ich gebe mich damit zufrieden, dich anzufeuern, wenn du den Schurken erschlägst.«
»Zu gütig, teurer Bruder«, sagte Prinz Aerion mit zuckersüßem Lächeln, »aber es wäre egoistisch von mir, dir das Recht abzusprechen, die Wahrheit deiner Worte unter Gefahr für Leib und Leben zu beweisen. Ich muß auf einer Prüfung der Sieben bestehen.«
Dunk kam nicht mehr mit. »Euer Gnaden, meine Lords«, wandte er sich an das Podium. »Ich verstehe nicht. Was ist ein Urteil der Sieben ?«
Prinz Baelor rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Das ist eine andere Form des Gottesurteils. Uralt, selten verlangt. Sie kam mit den Andals und ihren sieben Göttern über das schmale Meer. Bei jedem Gottesurteil bitten Kläger und Angeklagter die Götter, ein Urteil über sie zu fällen. Die Andals glaubten, wenn auf jeder Seite sieben Kämpfer fechten, würden die solchermaßen geehrten Götter mit größerer Wahrscheinlichkeit eingreifen und dafür sorgen, daß ein gerechtes Ergebnis erzielt wird.«
»Vielleicht hatten sie auch einfach Gefallen am Schwertkampf«, sagte Lord Leo Tyrell, während ein zynisches Lächeln seine Lippen umspielte. »Wie auch immer, Ser Aerion hat recht. Ein Urteil der Sieben muß es sein.«
»Ich muß gegen sieben Männer antreten?« fragte Dunk hoffnungslos.
»Nicht allein, Ser«, antwortete Prinz Maekar ungeduldig. »Spielt nicht den Narren, das wird Euch nichts nützen. Es müssen sieben gegen sieben sein. Ihr müßt sechs Ritter finden, die mit Euch kämpfen.«
Sechs Ritter, dachte Dunk. Ebensogut hätten sie ihm sagen können, daß er sechstausend finden müsse. Er hatte keine Brüder, keine Vettern, keine alten Kameraden, die neben ihm auf dem Schlachtfeld gestanden hatten. Warum sollten sechs Fremde ihr eigenes Leben riskieren, um einen Heckenritter gegen zwei königliche Prinzen zu verteidigen? »Euer Gnaden, meine Lords«, fragte er, »was ist, wenn niemand für mich eintreten will?«
Maekar Targaryen sah kalt auf ihn herab. »Wenn eine Sache gerecht ist, werden gute Männer dafür kämpfen. Wenn Ihr keine Kämpen finden könnt, Ser, liegt es daran, daß Ihr schuldig seid. Könnte etwas offensichtlicher sein?«
Dunk hatte sich nie so allein gefühlt wie in dem Moment, als er zum Tor von Ashford Castle hinausmarschierte und das Fallgatter hinter sich rattern hörte. Ein leichter Regen fiel sanft wie Tau auf seine Haut, und doch erschauerte er unter seiner Berührung. Auf der anderen Seite des Flusses bildeten bunte Ringe Heiligenscheine um die wenigen Zelte, wo noch Feuer brannten. Er schätzte, daß die Nacht halb vorüber war. In wenigen Stunden würde die Dämmerung kommen. Und mit der Dämmerung kommt der Tod.
Sie hatten ihm sein Schwert und das Silber zurückgegeben, aber als er über die Furt ging, waren seine Gedanken trostlos. Er fragte sich, ob sie damit rechnen würden, daß er sein Pferd sattelte und floh. Das könnte er, wenn er wollte. Es wäre mit Sicherheit das Ende seiner Ritterschaft; künftig wäre er nichts anderes mehr als ein Gesetzloser, bis ihn eines Tages irgend ein Lord aufgriff und ihm den Kopf abschlagen ließ. Besser, wie ein Ritter zu sterben, als so zu leben, sagte er störrisch zu sich. Naß bis an die Knie stapfte er an dem verlassenen Turniergelände vorbei. Die meisten Zelte waren dunkel, ihre Besitzer schliefen längst, aber hier und da brannten vereinzelt noch ein paar Kerzen. Dunk hörte leises Stöhnen und Lustschreie aus einem Zelt kommen. Da fragte er sich, ob er sterben würde, ohne jemals eine Frau gehabt zu haben.
Dann hörte er das leise Schnauben eines Pferdes, ein Schnauben, an dem er irgendwie Donner erkannte. Er machte kehrt und rannte, und da war das Pferd, zusammen mit dem Braunen vor einem runden Zelt angebunden, das innen von einem verschwommenen goldenen Schein erhellt wurde. Das Banner am Mittelpfosten hing durchnäßt herunter, aber Dunk konnte trotzdem den dunklen Umriß des Apfels der Fossoways erkennen. Er schien ein Zeichen der Hoffnung zu sein.
»Ein
Weitere Kostenlose Bücher