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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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nicht viel Fleisch auf den Rippen hatten, so waren sie doch kräftiger als das Mädchen aus dem Osten. Dann drehten sich beide gleichzeitigt zueinander um und schnippten mit den Fingern. »Silvina!« riefen sie unisono.
    »Komm mit«, sagte Spacia und streckte die Hand aus. »Du kannst doch gehen, oder nicht?«
    »O ja, aber . . .«
    »Dann auf die Füße, Läuferin«, sagte Rosa, hielt Tenna am anderen Arm fest und zog sie in eine aufrechte Haltung. »Silvina ist Vorsteherin der Harfnerhalle und hat immer gute Sachen zum Anziehen . . .«
    »Aber . . . ich . . .« Und dann gab Tenna nach. Man sah den entschlossenen Mienen der beiden Läuferinnen an, daß sie keine Einwände gelten lassen würden.
    »Ihr bringt sie zu Silvina?« fragte Penda, die aus der Küche gestakst kam. »Gut. Ich habe nichts, das ihr paßt, und sie muß großartig aussehen, wenn sie diesen Schuft Haligon trifft.«
    »Warum?« wollte Tenna argwöhnisch wissen. Warum mußte sie großartig aussehen, nur um Haligon Saures zu geben?
    »Nun, natürlich um den guten Ruf der Station Fort zu bewahren«, sagte Rosa mit einem schelmischen Lächeln. »Wir haben unseren Stolz, weißt du, und du magst eine Besucherin sein, aber jetzt bist du hier«, sie zeigte nachdrücklich auf den Boden, »und mußt vorzeigbar sein.«
    »Nicht, daß du das nicht wärst«, fügte Spacia, die ein wenig taktvoller als Rosa war, hastig hinzu, »aber wir wollen, daß du es mehr denn je bist.«
    »Immerhin ist es deine erste Zusammenkunft in Fort . . .«
    »Und obendrein bist du kurz davor, deine erste Überquerung zu vollenden.«
    Ihrem Geplapper war unmöglich zu widerstehen, und Tenna konnte auf keinen Fall in der Kluft einer Läuferin zu der Zusammenkunft erscheinen, und etwas anderes hatte sie nicht dabei.
    Um diese Abendstunde fanden sie Silvina in ihrem Büro in der Harfnerhalle, wo sie ihre Terminpläne studierte, und sie war mehr als entzückt, daß man an sie gedacht hatte. Sie führte sie in die Lagerräume unter der Harfnerhalle.
    »Wir bewahren eine Menge Bühnenkleider auf, falls eine Solistin die Farben der Harfner tragen möchte. Es macht dir doch nichts aus, Blau zu tragen, oder?« sagte Silvina, die vor der zweiten in einer ganzen Reihe geschlossener Türen stehenblieb. »Eigentlich finde ich, Blau würde dir sehr gut stehen.« Sie hatte eine so betörende Sprechstimme, daß Tenna mehr auf ihren Tonfall achtete als auf das, was sie sagte. »Und ich habe ein Kleid, das genau richtig für dich sein könnte.«
    Sie machte einen großen Schrank auf und zog aus den vielen Kleidern ein langes mit Ärmeln und einem gestickten Besatz heraus, das allen drei Mädchen ein Raunen entlockte.
    »Das ist reizend! Oh, ich kann so etwas Kostbares nicht tragen«, rief Tenna und wich zurück.
    »Unsinn«, sagte Silvina und gab Tenna zu verstehen, daß sie ihre Läuferbluse ausziehen solle.
    Als Tenna vorsichtig das Kleid anzog, gab ihr der weiche Stoff auf ihrer Haut ein Gefühl von etwas . . . Besonderem. Sie versuchte eine knappe Drehung, und der lange Rock wirbelte um ihre Knöchel, während die Ärmel sich an den Handgelenken bauschten. Es war das schmeichelhafteste Kleid, das sie je getragen hatte, und sie betrachtete es ausführlich und prägte sich den Schnitt ein, damit sie ihn beim nächstenmal, wenn sie wieder genug Geld für ein Ballkleid hatte, kopieren konnte. Ihr Ballkleid zu Hause war nicht annähernd so prachtvoll wie dieses. Konnte sie, sollte sie in etwas so Elegantem wie diesem Kleid tanzen? Und wenn sie etwas darauf verschüttete?
    »Ich bin mir nicht sicher . . .«, sagte sie, als sie sich zu ihren Gefährtinnen umdrehte.
    »Nicht sicher !« Rosa war pikiert. »Aber dieses Dunkelblau bringt deine feine Haut und die Augen zur Geltung . . . sie sind doch blau, oder wirken sie nur durch das Kleid so? Und es paßt dir, als wäre es für dich gemacht!«
    Tenna sah an dem tiefen Ausschnitt hinunter. Für wen immer es gemacht worden war, sie hatte wesentlich größere Brüste gehabt. Tenna füllte es nicht richtig aus. Silvina kramte in einer anderen Kiste.
    »Hier«, sagte sie und schob zwei Polster in den Ausschnitt, die sie mit so geübter Hand anbrachte, daß sie wie angegossen saßen, bevor Tenna protestieren konnte.
    »Na also! Viel besser«, sagte Spacia und kicherte. »Ich muß mich auch polstern. Aber für uns Läuferinnen wäre es schlimmer, so schwer gebaut zu sein, daß ständig was herumbaumelt.«
    Tenna betastete zaghaft ihre verbesserte Form, aber als

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