Der siebte Schrein
gesehen, richtig? Wette, bist eine von Fedri und Cesila, isses nich so?« Er lächelte den anderen wissend zu. »Du bist hübscher, als sie war, und sie war eine schöne Frau.«
Tenna beschloß, dem Kompliment keine Beachtung zu schenken, bestätigte aber ihre Herkunft. »Bist du in Station Siebenundneunzig gewesen?«
»Ein- oder zweimal, ein- oder zweimal«, sagte er und grinste liebenswürdig. Sein Läufergürtel war mit Stichen übersät.
Torlo war zu ihr gekommen, nahm ihren linken Arm und betrachtete die Seite, die sie nicht richtig sehen konnte.
»Stiche«, sagte er nüchtern.
Die anderen Läufer kamen sich vergewissern, ob das Urteil korrekt war. Sie nickten alle weise und nahmen ihre Plätze wieder ein.
»Manchmal frag ich mich, ob die Beeren wirklich das Risiko der Dornen im Frühling wert sind«, sagte der Läuferveteran.
»Schlimme Zeit des Umlaufs, um da reinzufallen«, wurde ihr wieder gesagt.
»Misler, du läufst rüber zur Heilerhalle«, sagte Torlo zu einem von ihnen.
»Oh, ich glaube, das wird nicht nötig sein«, sagte Tenna, weil man Heiler bezahlen mußte, und dann würde ihr Geld nicht mehr für gutes Leder reichen.
»Da es das Lauftier des Burgherrn war, das dich umgeworfen hat, wird er es bezahlen«, sagte Torlo, der ihr Zögern spürte, und blinzelte ihr zu.
»Eines Tages wird er Blutgeld bezahlen müssen, wenn er es nicht schafft, diesen Haligon an die kurze Leine zu nehmen und zu zwingen, von unseren Wegen zu bleiben. Haben diese Hufe viele Löcher hinterlassen?« fragte ein anderer Mann sie.
»Nein«, mußte sie zugeben. »Die Oberfläche hat nachgefedert.«
»Hmmm, das sollte sie auch tun.«
»Aber es geht nicht an, daß Haligon hin und her galoppiert, als wären die Wege für ihn angelegt worden.«
Misler machte sich auf den Weg, und nachdem ihr jeder Läufer den Namen und seine Heimatstation genannt hatte, wurde ihr ein Glas Wein eingeschenkt. Sie wollte ablehnen, aber Torlo sah sie fest an.
»Du stehst heute nicht auf der Läuferliste, Mädchen.«
»Ich muß meine erste Überquerung beenden«, sagte sie sehnsüchtig, während sie das Glas nahm und sich einen freien Platz suchte.
»Das wirst du, Mädchen, das wirst du«, sagte der erste Mann - Grolly - so überzeugt, während er ihr zuprostete, daß ihr warm ums Herz wurde. Alle anderen bekräftigten seine Worte.
Ein paar Kratzer und vielleicht zwei oder drei Stiche würden sie nicht daran hindern, das westliche Ufer zu erreichen. Sie nippte an ihrem Wein.
Die Läufer, die gebadet hatten, kamen herunter und hatten ebenfalls schon ihren Wein kredenzt bekommen, als Misler mit einem Mann in den Farben der Heiler zurückgetrottet kam, der hüpfte und sprang, damit er mit seinem langbeinigen Begleiter Schritt halten konnte.
Beveny stellte sich vor und bat Penda, ihm zu assistieren - eine Freundlichkeit, die Tenna gefiel und ihr eine sehr hohe Meinung von dem reisenden Heiler verschaffte. Die Untersuchung wurde gleich im Hauptsaal durchgeführt, da sich die Verletzungen alle an sichtbaren Stellen ihres Körpers befanden. Und die anderen Läufer waren aufrichtig daran interessiert, sich ein Bild von ihrem Zustand zu machen, und machten Vorschläge, die meisten davon kenntnisreich, welche Kräuter angewendet werden sollten und wie wirksam sie bei ähnlichen Anlässen gewesen waren. Beveny grinste ununterbrochen, als wäre er an die guten Ratschläge der Läufer gewöhnt. Wahrscheinlich war er es.
»Ich glaube, in dem hier und in zweien an deinem Bein könnten noch Dornen stecken«, sagte Beveny schließlich. »Aber ich bin sicher, nichts, das ein Breiumschlag über Nacht nicht herausziehen würde.«
Seitens des Publikums wurde zustimmend genickt und weise gelächelt. Danach wurde wieder ausführlich über Breiumschläge diskutiert und der geeignete ausgesucht. Während dieses Teils der Konsultation setzte man Tenna in einen bequemen Polstersessel mit langem Schemel, so daß sie die Füße hochlegen konnte. In ihrem ganzen Leben hatte man noch nie so ein Aufhebens um sie gemacht, aber so war das unter Läufern eben: Sie hatte schon gesehen, wie ihre Mutter und ihr Vater jedem, der verletzt in der Station eintraf, dieselbe persönliche Betreuung zuteil werden ließen. Aber im Mittelpunkt von soviel Aufmerksamkeit zu stehen - und obendrein in der Station Fort -, war äußerst peinlich für Tenna, und sie versuchte immer wieder zu betonen, daß derartig geringfügige Verletzungen kaum so dringend versorgt werden mußten. Sie
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