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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Aiel zu ziehen, habe ich mir Sorgen gemacht, aber er hat keinen Kratzer abbekommen. Als das Typhusfieber ausbrach, blieben wir und die Kinder verschont. Josef gewann das Wohlwollen der Lady, ohne sich darum zu bemühen. Danach schien es, als würde das Licht wahrhaftig auf uns scheinen. Jerid wurde gesund und munter geboren, der Krieg ging binnen weniger Tage zu Ende, und als Josef nach Canluum heimkehrte, gab uns die Lady den Mietstall für seine Dienste und . . . und . . .« Sie schluckte Tränen, die sie nicht vergießen wollte. Colar fing an zu weinen, ihre Mutter zog sie näher zu sich und flüsterte tröstende Worte.
    Moiraine erhob sich. Weitere Wiederholungen. Hier gab es nichts für sie zu tun. Jurine stand ebenfalls auf, keine große Frau, und doch fast eine Handbreit größer als sie. Beide Mädchen konnten ihr in die Augen sehen. Daran hatte sie sich gewöhnt, seit sie Cairhien verlassen hatte. Sie zwang sich, sich Zeit zu lassen, murmelte weitere Beileidsbekundungen und versuchte, der Frau eine Waschlederbörse in die Hand zu drücken, während die Mädchen ihr den Mantel mit dem Pelzkragen und ihre Handschuhe brachten. Eine kleine Börse. Münzen zu beschaffen bedeutete, die Bankiers aufzusuchen - und damit eine deutliche Spur. Nicht, daß die Aiel ihre Güter in einem Zustand zurückgelassen hatten, in dem sie in den kommenden Jahren viel Geld abwerfen würden. Und es war auch nicht sehr wahrscheinlich, daß jemand nach ihr suchen würde. Dennoch könnte es wirklich unangenehm werden, wenn sie entdeckt wurde.
    Die halsstarrige Weigerung der Frau, die Börse zu nehmen, ärgerte Moiraine. Nein, das war nicht der wahre Grund. Sie kannte Stolz, und außerdem hatte Lady Kareil das Geld zur Verfügung gestellt. Der wahre Grund für ihren Ärger war ihr eigener Wunsch, endlich gehen zu können. Jurine Najima hatte ihren Mann und drei Söhne an einem Morgen bei einem Brand verloren, aber ihr Jerid war um fast zwanzig Meilen am falschen Ort geboren worden. Die Suche ging weiter. Moiraine gefiel es nicht, Erleichterung im Zusammenhang mit dem Tod eines Säuglings zu empfinden. Aber sie empfand sie.
    Draußen raffte sie unter dem grauen Himmel ihren Mantel enger um sich. Die Kälte nicht zu beachten war ein einfacher Trick, aber jeder, der mit offenem Mantel durch die Straßen von Canluum ging, würde Blicke auf sich ziehen. Zumindest eine Ausländerin, wenn nicht eindeutig Aes Sedai. Außerdem - wenn man die Kälte nicht an sich heranließ, bedeutete das nicht, daß man sich ihrer nicht bewußt wurde. Ihr war unbegreiflich, wie diese Leute ohne spöttischen Unterton vom »neuen Frühling« sprechen konnten.
    Trotz des fast eiskalten Windes, der über die Dächer strich, waren die Serpentinenstraßen vollgepackt, so daß sie gezwungen war, sich ihren Weg durch eine dichte Masse von Menschen und Karren und Wagen zu bahnen. Die Welt war eindeutig nach Canluum gekommen. Ein Taraboner mit buschigem Schnurrbart zwängte sich an ihr vorbei und murmelte hastig eine Entschuldigung, und eine altaranische Frau mit olivfarbener Haut, die Moiraine finster ansah, danach ein Illianer mit einem Bart, der die Oberlippe frei ließ, ein sehr hübscher Bursche, und nicht zu groß.
    An einem anderen Tag, in einer anderen Stadt, hätte sie seinen Anblick genießen können. Nun nahm sie ihn kaum zur Kenntnis. Sie hatte nur Augen für die Frauen, besonders die gutgekleideten in Seide und feiner Wolle. Wenn nur nicht so viele verschleiert gewesen wären. Zweimal sah sie Aes Sedai durch die Menge schlendern, aber keine der Frauen war ihr je begegnet. Keine sah in ihre Richtung, aber sie hielt den Kopf dennoch gesenkt und blieb auf der anderen Straßenseite. Vielleicht sollte sie auch einen Schleier anlegen? Eine gedrungene Frau, deren Gesicht hinter Spitzen verborgen war, drängte sich vorbei. Mit so einem wäre selbst Sierin Vayu auf zehn Schritte Entfernung unerkannt geblieben.
    Moiraine erschauerte bei dem Gedanken, so lächerlich er war. Wenn die neue Amyrlin herausfand, was sie vorhatte . . . Sich ungebeten und unangemeldet in geheime Pläne einzumischen würde nicht ungestraft bleiben. Es spielte keine Rolle, daß die Amyrlin, die sie geschmiedet hatte, im Schlaf gestorben war und eine andere Frau auf dem Thron der Amyrlin saß. Auf einen Bauernhof verbannt zu werden, bis die Suche zu Ende war, damit durfte sie mindestens rechnen.
    Es war nicht gerecht. Sie und ihre Freundin Siuan hatten mitgeholfen, die Namen zusammenzutragen, und

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