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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Miene und machte den kurzen Hofknicks, der einer unbedeutenden Adligen vor einer Aes Sedai geziemte. Vor zwei Aes Sedai. Sie glaubte nicht, daß ihr ein schlimmeres Paar als diese beiden in ihren nüchternen Seidengewändern hätte begegnen können.
    Die weißen Flügel in Larelle Tarsis langem Haar betonten ihre verklärte, kupferfarbene Eleganz. Sie hatte Moiraine als Novizin wie auch als Aufgenommene in verschiedenen Disziplinen unterrichtet und besaß die Gabe, stets die Frage zu stellen, die man am wenigsten hören wollte. Schlimmer war Merean Rotberg, plump und so matronenhaft, daß das überwiegend graue, im Nacken geknotete Haar fast die Zeitlosigkeit ihrer Gesichtszüge aufhob. Unter Tamra war sie die Meisterin der Novizen gewesen, und im Vergleich zu ihr wirkte Larelle blind, wenn es darum ging, herauszufinden, was man am meisten verbergen wollte. Beide trugen ihre Schals mit den Rebenstickereien, der von Merean hatte blaue Fransen. Blau war auch Moiraines Ajah. Das mochte einiges gelten. Oder auch nicht. Es war eine Überraschung, sie zusammen zu sehen; Moiraine hatte nicht gedacht, daß sie einander besonders mochten.
    Unglücklicherweise war die Macht in den beiden stärker als in ihr, auch wenn sie eines Tages über ihnen stehen würde, aber derzeit war die Kluft gerade groß genug, daß sie anheimstellen mußte, nicht gehorchen. Sie hatten jedenfalls kein Recht, sich in etwas einzumischen, das Moraine tat. In dieser Hinsicht war das Brauchtum ziemlich eisern. Es sei denn, sie gehörten zu Tamras Suchtrupp und wußten über sie Bescheid. Die Befehle einer Amyrlin wogen schwerer als die ältesten Bräuche, veränderten sie zumindest. Aber wenn eine hier ein falsches Wort sagte, würde sich die Kunde, daß Moiraine Damodred verkleidet durch die Gegend zog, wie ein Lauffeuer verbreiten und so sicher den falschen Leuten zu Ohren kommen, wie Pfirsiche giftig waren. So war das in der Welt. Kurz danach würde sie der Rückruf nach Tar Valon ereilen. Sie machte den Mund auf und hoffte, dem Schicksal zuvorzukommen, aber eine andere Stimme ergriff zuerst das Wort.
    »Die müßt ihr nicht auf die Probe stellen«, sagte eine Schwester, die allein an einem Tisch in der Nähe saß, und drehte sich auf ihrer Bank um. Felaana Bevaine, eine schlanke, flachsblonde Braune mit einer krächzenden Stimme, die Moiraine nach ihrer Ankunft als erste in die Ecke gedrängt hatte. »Sagt, sie hat kein Interesse daran, in die Burg zu gehen. Ist, was das angeht, völlig verstockt. Und heimlichtuerisch. Man sollte meinen, wir hätten mitbekommen müssen, wenn eine Wilde in einem schäbigeren Gasthaus als diesem aufgetaucht wäre, aber dieses Kind bleibt gern für sich.«
    Larelle und Merean sahen Moiraine an, Larelle zog eine dünne Augenbraue hoch, Merean versuchte offenbar, ein Lächeln zu unterdrücken. Die meisten Schwestern mißtrauten Wilden, also Frauen, denen es gelang, sich das Kanalisieren selbst beizubringen, ohne die Weiße Burg aufzusuchen.
    »Das ist ganz richtig, Aes Sedai«, sagte Moiraine vorsichtig, aber erleichtert, daß jemand anders ihr den Boden bereitet hatte. »Ich habe nicht den Wunsch, mich als Novizin einzuschreiben, und werde es auch nicht tun.«
    Felaana betrachtete sie mit nachdenklichen Blicken, aber sie sprach immer noch zu den anderen. »Sagt, sie ist zweiundzwanzig, aber diese Regel ist schon das eine oder andere Mal mißachtet worden. Eine Frau sagt, sie ist achtzehn, und so wird sie eingetragen. Es sei denn, es wäre zu offensichtlich eine Lüge, und dieses Mädchen -«
    »Unsere Regeln sind nicht dazu da, um gebrochen zu werden«, sagte Larelle schneidend, und Merean fügte mit brüchiger Stimme hinzu: »Ich glaube nicht, daß diese junge Frau ihres Alters wegen lügen wird. Sie möchte keine Novizin sein, Felaana. Laß sie ihres Weges gehen.« Moiraine hätte fast einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen.
    Obwohl Felaana soviel schwächer als die beiden war, daß sie sich von ihnen das Wort abschneiden lassen mußte, stand sie auf und hatte eindeutig die Absicht, das Streitgespräch fortzusetzen. Sie hatte sich gerade halb erhoben, da sah sie die Treppe hinter Moiraine hinauf, ihre Augen wurden groß, sie setzte sich abrupt wieder und konzentrierte sich auf ihren Teller mit schwarzen Erbsen und Zwiebeln, als würde nichts sonst auf der Welt existieren. Merean und Larelle rafften ihre Schals zusammen, graue Fransen und blaue Stickereien. Sie sahen so aus, als wären sie am liebsten anderswo.

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