Der siebte Schrein
Rücken getragen hatte. Aber im Augenblick lebte er noch, und darum kämpfte er, trat Ingwerhaar gegen den Kopf, tanzte dem Tod entgegen, tanzte und trug Wunden davon, blutete und tanzte auf der Messerschneide des Lebens. Zeit wie kühler Honig, die von Figur zu Figur floß, und es konnte nur ein Ende geben. Denken war fern. Der Tod eine Feder. Löwenzahn im Wind schlitzte dem jetzt einäugigen dicken Mann die Kehle auf - er hatte kaum innegehalten, als sein Gesicht entstellt worden war -, und ein Mann mit gegabeltem Bart und Schultern wie ein Hufschmied keuchte vor Überraschung, als Küssen der Natter ihm Lans Stahl durchs Herz stieß.
Und plötzlich stellte Lan fest, daß er allein stand und sechs Männer im ganzen Hof verstreut lagen. Der ingwerhaarige junge Mann zappelte noch einmal mit den Fersen auf dem Boden, und dann atmete von den sieben nur Lan noch. Er schüttelte das Blut von der Klinge, bückte sich, wischte die letzten Tropfen am zu feinen Mantel des Hufschmieds ab und schob das Schwert so formvollendet in die Scheide, als befände er sich unter Bukamas Blick auf dem Übungsplatz.
Unvermittelt strömten Leute aus dem Gasthaus, Köche und Stallburschen, Kellnerinnen und Gäste, die durcheinanderriefen, wissen wollten, was der Lärm zu bedeuten hatte, und die toten Männer fassungslos betrachteten. Ryne war der erste; er hielt das Schwert schon in der Hand und stellte sich mit ausdruckslosem Gesicht neben Lan. »Sechs«, murmelte er und betrachtete die Toten. »Du hast wirklich das flammende Glück des Dunklen Königs.«
Lira mit den dunklen Augen trat nur Augenblicke vor Bukama zu Lan, worauf beide behutsam die Schlitze in seiner Kleidung auseinanderzogen, um die Verletzungen zu begutachten. Sie erschauerte jedesmal leicht, wenn eine freigelegt wurde, diskutierte aber in so gelassenem Tonfall wie Bukama darüber, ob eine Aes Sedai geholt werden sollte, um Heilung zu spenden, und wieviel Stiche erforderlich sein würden, und nahm ihm verächtlich die Nadel aus der Hand. Frau Arovni stolzierte herum, raffte die Röcke wegen der Pfützen blutigen Schlamms, warf den Toten auf ihrem Hof finstere Blicke zu und beschwerte sich lautstark darüber, daß Banden von Straßenräubern nie und nimmer bei hellem Tageslicht herumstreunen würden, wenn die Wache ihre Aufgabe erfüllen würde. Die Domanifrau, die Lan im Inneren angestarrt hatte, stimmte ebenso lautstark zu und erhielt für ihr Gezeter die schneidende Anweisung der Wirtin, die Wache zu holen, begleitet von einem kräftigen Schubs, damit sie sich auf den Weg machte. Es war ein Maßstab für Frau Arovnis Erschütterung, daß sie einen Gast so behandelte, und ein Maßstab für die Erschütterung aller, daß die Domanifrau losrannte, ohne sich zu beschweren. Die Wirtin trommelte Männer zusammen, um die Toten wegzuschaffen, und lamentierte dabei unaufhörlich über Straßenräuber.
Ryne sah von Bukama zum Stall, als würde er nicht begreifen - was vielleicht sogar zutraf -, aber er sagte: »Ich glaube, das sind keine Straßenräuber.« Er zeigte auf den Mann, der wie ein Hufschmied aussah. »Der da hat Edeyn Arrel zugehört, als sie hier war, und ihm hat gefallen, was er gehört hat. Ich glaube, einer der anderen auch.« Glöckchen läuteten, als er den Kopf schüttelte. »Merkwürdig. Zum erstenmal sprach sie davon, den Goldenen Kranich steigen zu lassen, als wir hörten, daß du vor den Leuchtenden Mauern gefallen wärst. Dein Name lockt Männer an, aber nach deinem Tod hätte sie el´Edeyn sein können.« Er breitete die Arme aus, als er die Blicke sah, die Lan und Bukama ihm zuwarfen. »Ich erhebe keine Vorwürfe«, sagte er hastig. »Ich würde der Lady Edeyn niemals so etwas anlasten. Ich bin sicher, sie besitzt die Barmherzigkeit einer Frau.« Frau Arovni grunzte verächtlich, und Lira murmelte fast unhörbar, daß der hübsche Arafellin nicht viel über Frauen wußte.
Lan schüttelte den Kopf. Edeyn könnte beschließen, ihn töten zu lassen, wenn es ihren Zwecken diente, sie hätte hier und da entsprechende Befehle hinterlassen können, falls sich die Gerüchte über seinen Tod als falsch erweisen sollten, aber selbst wenn es so war, wäre das immer noch kein Grund gewesen, ihren Namen in diesem Zusammenhang auszusprechen, schon gar nicht vor Fremden.
Bukamas Hände, mit denen er einen Riß in Lans Ärmel gespreizt hatte, hielten inne. »Wohin gehen wir von hier aus?« fragte er leise.
»Chachin«, sagte Lan nach einem Augenblick. Man hatte
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