Der siebte Schrein
die paarweise abgeschaltet wurden.
Coquina kreischte und schüttelte ihrerseits den Kopf, um mit ihren eigenen Glocken zu läuten. Ihr Klang war dünn und sinnlos im Vergleich zum schrillen Läuten der Dunklen Glocken.
Immer noch rückten die Käfer an, verdunkelten den Boden, schwärzten die Betten.
Jenna rannte an der kreischenden Schwester Coquina vorbei, ließ Rolands Waffen neben ihm zu Boden gleiten und richtete die verdrehte Schlinge mit einer einzigen ruckartigen Bewegung zurecht. Roland zog sein Bein heraus.
»Komm«, sagte sie. »Ich habe sie gerufen - sie hier festzuhalten dürfte mir nicht so leichtfallen.«
Nun stieß Schwester Coquina keine Angstschreie mehr aus, sondern Schmerzensschreie. Die Käfer hatten sie gefunden.
»Nicht hinsehen«, sagte Jenna und half Roland auf die Füße. Er dachte, daß er noch nie in seinem Leben so glücklich gewesen war, auf ihnen zu stehen. »Komm. Wir müssen uns beeilen - sie wird die anderen aufwecken. Ich habe deine Stiefel und Kleidungsstücke an dem Pfad versteckt, der von hier wegführt - ich habe getragen, soviel ich konnte. Wie geht es dir? Bist du kräftig genug?«
»Dank deiner Hilfe.« Roland wußte nicht, wie lange er bei Kräften bleiben würde . . . was im Augenblick auch keine Frage war, die eine Rolle spielte. Er sah, wie sich Jenna zwei der Halme schnappte - in seinem Bemühen, aus den Schlingen zu entkommen, waren sie auf dem ganzen Bett verstreut worden -, und dann liefen sie den Mittelgang entlang, weg von den Käfern und Schwester Coquina, deren Schreie allmählich verstummten.
Roland schnallte seine Revolver um und band sie fest, ohne stehenzubleiben.
Sie passierten nur drei Betten auf beiden Seiten, bevor sie die Zeltklappe erreichten . . . und es war ein Zelt, wie er nun sah, kein riesiger Pavillon. Die Seidenwände und die Decke bestanden aus fadenscheinigen Segeltuchplanen, die dünn genug waren, um das Licht eines Dreiviertel-Kußmonds durchzulassen. Und die Betten waren gar keine Betten, sondern nur eine Doppelreihe schäbiger Pritschen.
Er drehte sich um und sah einen schwarzen, zuckenden Wulst, wo Schwester Coquina gewesen war. Als er sie sah, kam Roland ein unangenehmer Gedanke.
»Ich habe John Normans Medaillon vergessen!« Ein starkes Gefühl des Bedauerns - fast der Trauer - durchfuhr ihn wie ein Windstoß.
»Ich habe es vom Boden aufgehoben.«
Er wußte nicht, was ihn glücklicher machte - der Anblick des Medaillons oder die Tatsache, daß sie es in der Hand hielt. Es bedeutete, daß sie nicht wie die anderen war.
Aber als wollte sie ihm den Gedanken austreiben, bevor er richtig Fuß fassen konnte, sagte sie: »Nimm es, Roland - ich kann es nicht mehr halten.« Und als er es nahm, sah er unmißverständliche Brandmale an ihren Fingern.
Er nahm ihre Hand und küßte jede Brandblase.
»Danke-Sai«, sagte sie, und er stellte fest, daß sie weinte. »Danke, Liebster. So geküßt zu werden ist wunderbar und rechtfertigt alle Schmerzen. Jetzt . . .«
Roland sah, wie sie sich abwandte, und folgte ihrem Blick. Lichter kamen wippend einen Pfad herunter. Dahinter sah er das Gebäude, in dem die Kleinen Schwestern wohnten - kein Kloster, sondern eine halbverfallene Hazienda, die aussah, als wäre sie tausend Jahre alt. Es waren drei Kerzen; als sie näher kamen, sah Roland, daß es nur drei Schwestern waren; Mary war nicht bei ihnen.
Er zog die Waffen.
»Oooo, er ist ein Revolvermann, das ist er!« Louise.
»Ein furchteinflößender Mann!« Michela.
»Und er hat seine Liebste und seine Schießeisen gefunden!« Tamra.
»Seine Hurenschlampe!« Louise.
Sie lachten wütend. Hatten keine Angst. Jedenfalls nicht vor seinen Waffen.
»Steck sie weg«, sagte Jenna, und als sie hinsah, stellte sie fest, daß er es bereits getan hatte.
Derweil waren die anderen näher gekommen.
»Ooo, seht nur, sie weint!« Tamra.
»Und hat ihre Tracht abgelegt!« Michela. »Vielleicht weint sie um ihr gebrochenes Gelübde.«
»Warum die Tränen, Hübsche?« Louise.
»Weil er meine Finger geküßt hat, wo sie verbrannt waren«, sagte Jenna. »Ich bin bisher noch nie geküßt worden. Darum mußte ich weinen.«
»Ooooo!«
»Rei-zend!«
»Als nächstes wird er ihr sein Ding reinstecken. Noch reizender!«
Jenna ertrug ihren Spott ohne eine Spur von Zorn. Als sie fertig waren, sagte sie: »Ich gehe mit ihm. Geht beiseite!«
Sie glotzten sie an, und ihr falsches Lachen wich Entsetzen.
»Nein!« flüsterte Louise. »Bist du verrückt? Du weißt,
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