Der siebte Schrein
einem selbst dann schwerfiel, wenn man ihr überlegen war. »Was schlägst du sonst vor? Fast zwei Wochen zu bleiben, bis sie wieder herauskommt, wird genauso schlimm, und du kannst dich nicht mit ihren Dienern anfreunden, wenn sie mit ihr in Klausur sind.«
»Sie dürfen nur herauskommen, um Besorgungen zu machen, Moiraine, aber ich glaube, ich schaffe es, daß sie mich hineinbitten.«
Moiraine wollte sagen, daß das wahrscheinlich genauso lange dauern würde, aber Siuan packte sie fest an den Schultern, drehte sie um und betrachtete sie kritisch von oben bis unten. »Die Zofe einer Lady soll darauf achten, daß ihre Herrin korrekt gekleidet ist«, sagte sie und gab Moiraine einen Schubs auf die Tür zu. »Geh! Die Shatayan wartet auf dich. Und mit etwas Glück wartet ein junger Lakai namens Cal auf Suki.«
Die Shatayan wartete tatsächlich, eine große, gutaussehende Frau, ganz Würde und frostig, weil man sie warten ließ. Der Blick ihrer braunen Augen hätte Wein herunterkühlen können. Jede Königin, die es sich mit einer Shatayan verdarb, war eine Närrin, daher gab sich Moiraine betont liebenswürdig, als die Frau sie durch die Flure führte. Sie glaubte, daß es ihr zu einem gewissen Grad gelang, den Frost abzutauen, aber es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Ein junger Lakai? Sie wußte nicht, ob Siuan schon einmal einem Mann beigewohnt hatte, aber ganz gewiß würde sie es nicht nur tun, um an Ines´ Diener heranzukommen! Nicht mit einem Lakaien!
Statuen und Gobelins zierten die Flure, was sie höchst überraschend fand angesichts dessen, was sie über die Grenzländer wußte. Marmorfriese von Frauen mit Blumen oder spielenden Kindern, Seidenteppiche, die Felder und Blumen zeigten, Adlige in Gärten, aber nur wenige Jagdszenen und keine einzige Schlacht. Wenn man die Flure hinunterging, blickte man in regelmäßigen Abständen aus Bogenfenstern in weitaus mehr Gärten, als sie erwartet hätte, und auch in gepflasterte Innenhöfe, manchmal mit Marmorspringbrunnen. In einem sah sie etwas, das sie Fragen über Siuan und einen Lakaien schnell vergessen ließ.
Es war ein schlichter Innenhof, ohne Springbrunnen oder Säulengang, wo Männer in Reihen an den Wänden standen und zwei anderen zusahen, die die Oberkörper entblößt hatten und mit Übungsschwertern aus Holz kämpften. Ryne und Bukama. Es war ein Kampf, wenn auch zur Übung; Treffer landeten so fest auf Haut, daß sie das Klatschen hören konnte. Alle von Ryne erzielt. Sie würde ihnen aus dem Weg gehen müssen, und Lan ebenfalls, sollte er auch hier sein. Er hatte sich keine Mühe gegeben, seine Zweifel zu verhehlen, und sie wollte nicht, daß er Fragen aufwarf, mit denen sie lieber nicht konfrontiert werden wollte. War sie Moiraine oder Alys? Schlimmer, war sie eine Aes Sedai oder eine Wilde, die nur so tat? Fragen, die in der Nacht darauf auf den Straßen diskutiert werden würden, wo jede Schwester sie hören konnte, und die letztere Frage war eine, der jede Schwester nachgehen würde. Glücklicherweise würden drei umherziehende Soldaten kaum dort erscheinen, wo sie sich aufhalten würde.
Prinz Brys, ein stämmiger Mann mit grünen Augen, begrüßte sie im kleinen Kreis in einem großen Zimmer mit rot-goldener Täfelung. Zwei verheiratete Schwestern des Prinzen waren samt ihren Männern anwesend, und eine von Ethenielles Schwestern mit ihrem, die Männer in pastellfarbener Seide, die Frauen in bunten Farben mit Gürteln dicht unter den Brüsten. Diener in Livree boten Süßigkeiten und Nüsse an. Moiraine dachte, daß sie vielleicht einen steifen Nacken vom Aufschauen bekämen; die kleinste Frau war größer als Siuan, und sie hielten sich alle sehr gerade. Für eine Schwester hätten sie ein wenig die Köpfe geneigt, Männer wie Frauen, aber sie wußten, daß sie der Lady Moirain ebenbürtig waren.
Die Gesprächsthemen reichten von Musik und dem besten Musikanten unter den Adligen bei Hofe bis zu den Strapazen einer Reise; ob die Gerüchte über einen Mann, der kanalisieren konnte, zutreffend waren, und warum sich so viele Aes Sedai in der Gegend herumzutreiben schienen, und Moiraine fiel es schwer, unbekümmert und geistreich zu sein, wie man es von ihr erwartete. Ihr lag wenig an Musik und noch weniger daran, wer die Instrumente spielte; in Cairhien wurden Musiker angeheuert und wieder vergessen. Jeder wußte, daß Reisen anstrengend war, wenn man nach zwanzig oder dreißig Meilen nicht mit einem Bett oder einer anständigen
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